-
TOUR 78: SAARBURG – SAAR-LEUKTAL-PANORAMAWEG
Saarburg liegt unter einer dicken Schicht zerklüfteter Wolken. Es regnet. Ein dünner, milder Regen, der alle Konturen verschwimmen und der die Distanzen geringer erscheinen lässt. Steingrau der Himmel. Man kommt sich vor wie in einem Raum, in dem die Wände sich aufeinander zubewegen. Die Häuserzeilen entlang der Saar wirken wie in einen dünnen Kokon aus Regen und Nebel hineingewoben, hier und da sticht ein hellerer Farbton hervor, im Fluss spiegelt sich eine fahle Wolkenlandschaft. Es ist weder kalt noch winterlich, es ist einfach nur grau und nass. Die Straßen sind nicht gerade belebt. Auf meinem Weg vom Bahnhof zur Innenstadt begegnet mir nur vereinzelt mal ein Fußgänger. Sogar der Marktplatz…
-
TOUR 77: NIEDALTDORF/SAARLAND – GRENZBLICKWEG
Es ist einer dieser staubgrauen Tage, an denen das Grau nicht nur oberflächlich vorhanden ist, sondern an denen es aus der Tiefe der Erde emporzusteigen scheint und an denen man sich des Gefühls nicht erwehren kann, dass man die Sonne wochenlang nicht mehr zu sehen bekommen wird. Der Himmel hängt tief und dunkel über den Häusern. Dem Auge fehlen irgendwie die Farben. Überall dieses stumpfe, konturenlose Gewaber, als würde man durch eine blinde Scheibe nach draußen blicken. Es ist Anfang Januar, aber man könnte beinahe meinen, es sei November. Auch heute bin ich wieder mit Jana unterwegs. Während wir vom Bahnsteig am Rande von Niedaltdorf in den Ort hinunterlaufen, wird…
-
TOUR 76 – VON WACHENHEIM NACH NEUSTADT AN DER WEINSTRAßE
Eine Wanderung zu planen kann eine aufwendige Sache sein, auch wenn man nicht gerade einen mehrtägigen oder gar mehrwöchigen Trip auf dem Pacific Crest Trail oder irgendwo am Nordkap in Angriff zu nehmen beabsichtigt. Es genügt schon eine längere Tagestour, sofern man seine eigene Route entwirft und diese womöglich nicht nur aus beschilderten Wanderwegen besteht, sondern aus allem, was irgendwie ein halbwegs begehbarer Pfad, eine halbwegs begehbare Straße ist. Bei Mehrtagestouren ist der zeitliche Aufwand für die Planung naturgemäß noch höher, selbst dann, wenn man bereit ist, sich spontanen Entschlüssen oder gar der Regie des Zufalls zu überlassen. Die Detailplanung der ersten vier Marienwegetappen kostete mich zwei volle Tage und…
-
TOUR 75: HASSEL/SAARLAND – HÜTTENWANDERWEG
Das Erste, was ich wahrnehme, als ich auf den Bahnsteig trete, ist dieses Flimmern. Ein Flimmern beinahe wie an einem heißen Hochsommertag irgendwo am Horizont über dem aufgeheizten Asphalt einer Landstraße. Erst nach und nach füllt sich mein Blickfeld mit Konturen: Ein uraltes Bahnhofsgebäude, das im Gegensatz zu vielen anderen uralten Bahnhofsgebäuden aber keine allmählich sich atomisierende Ruine ist, Wohnhäuser, zwei Straßen. Am Rande des Bildausschnitts leuchtende Farben, Herbstfarben genauer gesagt. Am Morgen noch ist alles grau gewesen wie an einem Nebeltag in den schottischen Highlands, genau das also, was man vom November erwartet. Jetzt aber ist der Himmel ganz hell, ohne jeden Anflug von Eintrübung, und wenn ich Glück…
-
TOUR 74 – VON OBERNHOF NACH DAUSENAU
Da ist dieser eine Moment, beinahe schon auf den letzten Metern der Wanderung, dieser nicht sofort wieder endende, sondern fortdauernde Moment, der aus der Stille und Weite des Himmels zu erwachsen scheint, der voller Leichtigkeit ist und voller Gelassenheit, wie vom Wind fortgetragenes Herbstlaub, dieser eine Moment, der sich anfühlt, als würde er all die vergangenen Stunden umfassen, den Aufbruch, das Unterwegssein, die Worte, die Bilder, die Empfindungen, und der zugleich so gegenwärtig ist wie ein in den Handrücken geritztes Tattoo. Es geschieht nichts in diesem Moment, was die Erde aus ihrer Umlaufbahn katapultiert oder auch nur die den Horizont begrenzenden Hügel ein paar Meter nach hinten oder vorne versetzt,…
-
TOUR 73 – VON LAUTERECKEN NACH WOLFSTEIN
Am Anfang ist nicht das Wort, nicht einmal der Gedanke. Am Anfang ist nur ein Gefühl. Das Gefühl, aufbrechen zu wollen. Oder, wenn das ein zu großes Wort sein sollte, losgehen zu wollen. Mit welchem Ziel, zu welchem Zweck, das ist in diesem Stadium erst einmal nicht von Belang. Aber wenn man es wirklich ernst meint, dann ist es vom ersten Moment an ein Gefühl, das beinahe schon einem Entschluss gleichkommt. Ich jedenfalls empfand von Beginn an eine Art unverrückbare Gewissheit, dass das Gehen keine rasch vorübergehende Laune sein würde, sondern etwas Dauerhaftes. Die Gründe zu wandern sind vermutlich so unterschiedlich und zahlreich wie Kieselsteine an einem Flusslauf, aber die…
-
TOUR 72 – BECKINGER SAARBLICKE & LITERMONT-SAGENWEG
Wenn man so will, beginnt der Prolog der heutigen Wanderung drei Jahre zuvor an einem dieser windigen, sonnigen Oktobertage, die noch beinahe ebenso viel vom Sommer haben wie vom Herbst, und die man allein schon deshalb bis zur letzten halbwegs hellen Minute genießen will, weil es nicht mehr lange dauert, bis die nebelgrauen Krähentage Einzug halten. Er beginnt auf einem schmalen Bahnsteig, der aus dem Nichts zu kommen und ins Nichts zu führen scheint und bei dem man schon im allerersten Moment den Eindruck hat, dass man nur ein paar wenige Schritte weit gehen muss, um in eine entlegene Waldidylle zu gelangen, in der es nichts gibt außer dem Hämmern…
-
TOUR 71: LAROCHETTE/LUX. – EXTRA-TOUR A DES MULLERTHAL-TRAILS
Im Grunde ist es einfach. Je weniger Zwang, je weniger Dringlichkeit, je weniger sich selbst auferlegte Vorgaben, desto befreiter wird das Gehen. Man kann sich vom ersten Schritt an in eine Abhängigkeit von Daten und Zahlen begeben, man kann das Wandern zu einer tabellarischen Angelegenheit von Kilometern, Geschwindigkeiten und Koordinaten machen, so dass es beinahe nur noch eine Begleiterscheinung und nicht mehr die Hauptsache ist. Oder man kann … loswandern. Im Extremfall mit nichts anderem als einem Weg unter den Füßen, genügend Wegzehrung und einer gesunden Selbsteinschätzung darüber, was man sich zutrauen kann. Im Idealfall – der vermutlich selten dem Extremfall entspricht – mit nicht mehr als dem, was man…
-
TOUR 70 – BESSERINGEN -WEHINGER VIEZPFAD – CLOEF
Eines ist bereits von Beginn an klar – heute muss ein Rädchen ins andere greifen, wenn ich nicht Gefahr laufen will, in ein unbeherrschbares Chaos hineinzugeraten. Okay, das ist natürlich etwas übertrieben, denn ich plane schließlich keine Wanderung durch irgendeine unwegsame Wildnis hundert Kilometer von der nächsten menschlichen Siedlung entfernt. Aber nichtsdestotrotz gibt es einige Punkte, die sich im Laufe der heutigen Tour als heikel erweisen könnten. Das liegt einfach in der Natur der Sache, wenn man eine Tour von mehr als 50 Kilometern ohne Karte und ohne GPS in Angriff nimmt. Die Länge einer solchen Wanderung allein katapultiert mich schon – im Vergleich zu einer von zehn oder fünfzehn…
-
TOUR 69/2. TAG – VON LAURENBURG NACH OBERNHOF
Zweiter Tag. Als Wanderer wird man nach und nach zu einer Art Sammler. Man sammelt Landschaften, man sammelt Wege, man stattet seine Erinnerung buchstäblich Schritt für Schritt, Blick für Blick mit Bildern und Empfindungen aus, man erschafft sich eine eigene Landkarte mit unverwechselbaren Erinnerungsorten und Erinnerungspfaden. Allein schon deshalb liegt es in der Natur der Sache, dass man ständig nach Neuem Ausschau hält, nach Wegen, die man noch nicht gegangen ist, nach Landstrichen, die man höchstens von Fotos kennt, nach Städten, Wäldern, Regionen, die man erkunden, durchstreifen, von denen man innere Bilder abspeichern will, die man hernach noch eine ganze Weile mit sich trägt, manche sogar für immer. Der Reiz…
-
TOUR 69 – VON BALDUINSTEIN NACH OBERNHOF, 1. TEIL
Erster Tag. Wir brechen spät auf zu dieser Wanderung, erst gegen halb vier Uhr am Nachmittag. Der Sommer steht unmittelbar bevor und in den Straßen ist es drückend wie in einer Waschküche des frühen 20. Jahrhunderts. Der Himmel ist ein Block aus weißem Licht, weit und hoch. Später wird immer mehr und immer dunkleres Blau sich darüber ausbreiten, fast schon eine Ahnung von Spätsommer mit sich bringend, aber es wird die ganze Zeit warm und trocken bleiben und erst irgendwann am Abend, kurz nach Sonnenuntergang, wird der Himmel plötzlich wie ein glatter, grauer Steinboden sein. Jana, mit der ich auch heute wieder unterwegs bin, kennt die Gegend genauso wenig wie…
-
TOUR 68 – HEIDELBERG: KÖNIGSTUHL – KOHLHOF – SCHLOSS
Selten hatte ich zu Beginn einer Tour eine weniger konkrete Vorstellung davon, was mich erwarten könnte als diesmal. Das gilt zumindest für den größten Teil der Wanderung, nämlich so ziemlich für jeden einzelnen Schritt von dem Moment an, als wir uns von der Bergbahnstation Königstuhl aus auf den Weg machen bis zu jenem Augenblick, als wir ein paar Stunden später nach einem planlosen, aber großartigen Erkundungsmarsch durch den Heidelberger Stadtwald fast exakt an unseren Ausgangspunkt zurückkehren und uns dann über die Himmelsleiter auf den Weg zum Schloss hinunter machen. Wie bei allen meinen Neckartouren bin ich auch heute mit Jana unterwegs. Am Aussichtspunkt auf dem Königstuhl suchen wir uns erst…
-
TOUR 67: VON OCHSENFURT NACH KITZINGEN
Manchmal gibt es keinen richtigen Anfang. Man geht in der Erinnerung bis zu einem bestimmten Punkt zurück, und dann geht man weiter zurück und noch weiter, vielleicht sogar bis dahin, wo Erinnerung kaum noch mehr ist als ein fast lichtloser Canyon oder ein Höhlengebilde, in dem nichts mehr als vergessene, verschüttete Gänge und Stollen existieren, und das einzig Verlässliche, auf das man dabei stößt, ist die simple Erkenntnis, dass der Anfang, nach dem man gesucht hat, nicht exakt zu bestimmen ist. Ungefähr so geht es mir mit dem Marienweg. Da ist natürlich der Tag, an dem ich den allerersten Schritt der allerersten Etappe gemacht habe. Das war vor gut zwei…
-
TOUR 66 – VON IDAR-OBERSTEIN ÜBER DEN HILDEGARDWEG & DEN KUPFER-JASPIS-PFAD NACH FISCHBACH
Es gibt Wanderungen, bei denen buchstäblich vom ersten Schritt an eine unbändige und durch so gut wie nichts zu beeinträchtigende Freude vom Kopf bis hinunter in die Zehenspitzen pulsiert. Es ist, als sei irgendwo im Körper ein Mechanismus in Gang gesetzt worden, der für einen ununterbrochenen Nachschub an positiven Empfindungen sorgt. Das hat nichts mit übersteigerter Erwartungshaltung zu tun, es hat nicht einmal unbedingt überhaupt etwas mit irgendeiner Art von Erwartung zu tun, sondern es ist eine Freude, die sich an sich selbst nährt und sich ganz auf den Augenblick und höchstens noch auf die nächsten Minuten konzentriert. Heute ist so ein Tag. Ich bin in einer Stimmung, die vermutlich…
-
TOUR 65 – VON MILTENBERG NACH AMORBACH
Erster Teil: Weiß Das Weiß ist nicht überall. Der milchige Schimmer zum Beispiel, der über dem Main liegt, ist nicht weiß. Er ist nicht weiß und nicht silbern und nicht blau und doch von allem etwas. Er ist wie der allerletzte, feine Überrest eines Nebelgespinstes, das von der Morgendämmerung noch geblieben ist und das sich nun endgültig verflüchtigt. Obwohl es bereits halb zehn ist, hat man dadurch den Eindruck, als sei es noch ganz früh am Morgen. In erster Linie ist das Weiß am Himmel und jenseits der Hügel. Es bewirkt ein unaufdringliches, fast behutsames Licht, das nach und nach immer heller wird. Ganz aber löst sich der Dunst nicht…
-
TOUR 64 – HOMBURG: SCHLOSSBERGTOUR & HERZOG-II-KARL-AUGUST-PFAD
Vor einigen Monaten las ich den Reisebericht eines Pilgers, in dem ich irgendwann auf die Aussage stieß, dass ihm die konkrete Route, auf der er seine Ziele erreiche, gar nicht so wichtig sei. An diesem Satz blieb ich hängen. Erstens, weil er in Zeiten exakt festgelegter GPS-Touren für eine immer seltener werdende Einstellung zum Unterwegssein steht. Und zweitens natürlich, weil er meiner eigenen Herangehensweise ziemlich nahekommt. Freiwillige oder unfreiwillige Umwege, mich treiben lassen, spontane Veränderungen der Route und – wenn es sein muss – auch des Zielortes, das gehört für mich zum Gehen genauso dazu wie Rucksack und Wanderschuhe. Dass es Touren gibt, bei denen ich einfach nur möglichst unproblematisch…
-
TOUR 63- BADEN-BADEN: BHF – PANORAMAWEG – MERKURBERGBAHN
Es ist ein grauer Sonntagmorgen Anfang März. Es gibt überhaupt keine andere Farbe als Grau, und es ist nicht einfach nur ein oberflächliches, bei näherem Hinsehen in alle möglichen weniger tristen Farbtöne sich auflösendes Grau, sondern es ist ein Grau wie aus Mondgestein gemeißelt. Es sieht wirklich nicht so aus, dass sich dieses Grau in den nächsten Stunden abmildern wird. Aber abgesehen davon, dass es natürlich angenehmer ist, unter einem ästhetisch perfekten blauen Himmel dahinzuwandern als unter einem, der aussieht wie eine Tinktur aus den Gedanken von Teilnehmern eines Misanthropenkongresses, ist das nicht weiter schlimm. Störender ist da schon der Wind. In den letzten Wochen hat es so viele Sturmwarnungen…
-
TOUR 62 – VON HIRSCHHORN NACH EBERBACH
Es ist Mitte Februar, aber allzu viel erinnert nicht mehr an den Winter. Der Himmel wirkt unendlich weit und so hoch, als würde man an einem warmen Sommertag irgendwo im Gras liegen und den träge dahintreibenden Wolken nachschauen. Es ist wie in einem Traum vom Beginn des Frühlings. Man hat das Gefühl, dass es seit Wochen keinen grauen, trostlosen Tag mehr gegeben hat und noch viel, viel länger keinen mehr geben wird. Ich bin heute wieder mit Jana unterwegs. Wir haben uns eine ziemlich kurze und sehr leichte Strecke ausgesucht, nämlich von Hirschhorn in Hessen immer am Neckar entlang bis Eberbach in Baden-Württemberg. Auf der gesamten Wanderung erwarten uns nur…
-
TOUR 61 – HÖCHSTEN UND ERZGRÄBERWEG
Es sind diese ersten Minuten nach der Dämmerung. Etwas von der rauen, schwarzen Kälte der Nacht ist immer noch da. Die Stille über den schneebedeckten Feldern ist eine Winterstille und zugleich eine Dämmerstille, aber von Atemzug zu Atemzug wird sie brüchiger und durchlässiger. Die Geräusche des erwachten Tages zersetzen sie, bis nur noch so viel von ihr übrig ist, dass man sie nicht mehr bewusst wahrnimmt, sondern sie nur noch ahnt, irgendwo jenseits der Geräusche. 8 Uhr 30 und gerade mal ein Grad. Kalte, eiskristallklare Luft. Der letzte Hauch von Dämmerung ist verschwunden und der Schnee flirrt und leuchtet in der Morgensonne. Wobei – der Schnee stellt sich erst ab…
-
TOUR 60: NIEDALTDORF – AMMONITENWEG & HIRN-GALLENBERG-TOUR
Es ist die erste Tour des noch jungen Jahres. Vielleicht ist das der Grund, warum ich fast so ein wenig das Gefühl habe, zu einer längeren Pilgertour aufzubrechen, obgleich es nicht einmal eine allzu lange Wanderung werden wird und obgleich an diesem Tag kaum etwas zu finden ist, was überhaupt dazu ermuntert, stundenlang durchs Gelände zu marschieren. Wie bei so vielen Touren zuvor ist das im Grunde jedoch eine ganz unkomplizierte Entweder-oder-Angelegenheit: Entweder ist der innere Antrieb vorhanden oder eben nicht, entweder man richtet sich auf die Umstände ein oder es ist besser, man bricht gar nicht erst auf. Zum Auftakt gibt es ein paar zaghafte Sonnenstrahlen, die den Bahnsteig…
-
TOUR 59 – FREMERSDORF – „DER BIETZERBERGER“
Erster Teil: Der Wind Der Anfang entspricht ziemlich exakt dem, was erwartet werden kann, wenn man sich an einem kalten Dezembermorgen irgendwo im Niemandsland zu einer Wanderung aufmacht. Da ist dieser Bahnsteig, beginnend und endend in dunstigem Grau. Unter dem fahlen Himmel wirkt er wie abgetrennt von der übrigen Welt, wie eingesponnen in eine Hülle aus weißlich glimmendem Winterlicht. Wäre es völlig still gewesen, dann hätte ich den Eindruck haben können, am Ende der Welt angekommen zu sein. Wäre es völlig still gewesen, dann hätte dieser bis auf mich selbst leere Bahnsteig so verlassen gewirkt wie eine Eisscholle im Polarmeer. Aber es ist nicht völlig still. Ich höre eine Menge…
-
TOUR 58 – Itzenplitzer Pingenpfad
52 Tage sind seit meiner letzten Wanderung ins Land gegangen. Beinahe ein ganzer Herbst ist gekommen, hat über viele Wochen hinweg alles in ein Farbenmeer verwandelt und liegt jetzt in den letzten Zügen, ohne dass ich auch nur einen einzigen Schritt auf einem Wanderpfad zurückgelegt hätte. Ein paar Wochen lang habe ich das rechte Bein nach einer Meniskusverletzung irgendwie mitgeschleppt, aber mit beinahe jedem Tag habe ich mich ein winziges Stück von einer Fortbewegungsart, die von simplem Gehen so weit entfernt war wie Schlammwaten von Höhlentauche, einem Zustand angenähert, der es mir erlaubt, mich endlich wieder auf den Weg zu machen. Der trübe Novembermorgen geht fast übergangslos in einen sonnigen,…
-
TOUR 57 – SAARLOUIS & VAUBAN-STEIG
Der Morgen zieht blass und still herauf. In die wächserne Dämmerung mit ihren Schatten und Umrissen hinein breitet sich allmählich ein rötlicher Glanz aus. Zunächst ist es nur ein mattes, schwächliches Schimmern, kaum mehr als ein Zittern der Luft, von dem man fast den Eindruck hat, dass es nach dem nächsten Augenblinzeln schon wieder verschwunden sein könnte, aber nicht einmal zwei Minuten später hüllt es schon die Baumspitzen ein, dann die Stämme, und schließlich füllen sich auch die dunklen, unscharfen Bereiche tief unten am Boden mit warmem Licht. Keine fließenden Schemen mehr, sondern überall klare Linien, die Anker sind für den Blick. Als ich eine gute Stunde später dann vom…
-
VON BEXBACH ÜBER VIER PREMIUMWEGE NACH OTTWEILER
Es gibt keine lange Dämmerung an diesem Morgen. Das nächtliche Dunkel geht für kaum länger als einen tiefen Atemzug in ein grau schimmerndes Zwielicht über, dann aber zieht ein strahlend heller Tag herauf. Am Himmel steht eine diamantene Sonne. Selbst in den engen Straßen, zwischen all den Begrenzungen durch Häuserfassaden und sonstige starre Strukturen fühlt es sich an, als würde man in die Weite eines bis zum Horizont schrankenlosen Ozeans hinaustreiben. Schon als ich mich um neun Uhr morgens vom Bahnhof Bexbach aus – am ältesten erhaltenen Bahnhofsgebäude des Saarlandes vorüber – auf den Weg mache, sind es weit über 20 Grad. Und obwohl es im Verlauf der nächsten Stunden…
-
TOUR 55: NECKARGERACH – MARGARETHENSCHLUCHT – EBERBACH
Es ist eine jener Touren, die nicht zu Ende sind, wenn man den letzten Schritt getan hat. Eine der Touren, bei denen man eine ganze Lagerhalle mit schönen Eindrücken füllen könnte und bei denen noch lange danach immer wieder Bilder und zu Worten gewordene Bilder vor dem inneren Auge erstehen. Eine der Touren, bei denen sich irgendetwas dagegen sträubt, das Erlebte in Wesentliches und Unwesentliches zu unterteilen. Jana, mit der ich heute wieder unterwegs bin, kennt die Strecke von Neckargerach nach Eberbach gut genug, um den Weg im Schlaf zu finden. Unser erstes Ziel jedoch ist die Margarethenschlucht, und dazu schlagen wir zunächst ziemlich genau die entgegengesetzte Richtung ein. Ich…