• TOUR 44: BHF FISCHBACH – WILDER NETZBACHPFAD & URWALDTOUR

    Es ist die Zeit der nebligen, verhangenen Spätherbstmorgen. Der Himmel ist ein grauer See, der sich von einem Rand des Blickfeldes bis zum anderen erstreckt. Das Grau ist nicht nur am Himmel, sondern es ist überall. Aber immerhin ist es kein wirklich tristes Grau, keines von der Art, das sich anfühlt, als würde man den Staub tausender stockfleckiger Buchrücken einatmen. Es ist kurz vor zehn, als ich mich vom Bahnsteig in Fischbach aus auf den Weg mache. Im Groben sieht mein Plan so aus: Erst einmal vom Bahnhof zum Netzbachweiher gehen, dort dann den Wilden Netzbachpfad in Angriff nehmen, etwa bei Kilometer 6 auf die benachbarte Urwaldtour wechseln, danach noch…

  • TOUR 43: HOCHSTETTEN-DHAUN – FELSENGARTEN SIMMERTAL – MARTINSTEIN

      Anmerkung: Es handelt sich um eine Wanderung, die Mitte August stattfand, ein paar Tage vor dem Start der letzten Marienwegetappen. Zum zweiten Mal in diesem Jahr bin ich in Hochstetten-Dhaun, einem kleinen, übersichtlichen Ort an der Bahnstrecke von Idar-Oberstein nach Bad Kreuznach. Beim ersten Mal – Mitte Februar auf dem Wildgrafenweg – war selbst für unempfänglichste Sinne der nahe Frühling schon so spürbar gewesen, als sei es tatsächhlich bereits April oder Mai. Damals war es vor allem das Licht in seinen verschiedenen Spielarten, das die Wanderung prägte, sie zu etwas Außergewöhnlichem machte. Gleißendes Licht. Sanft durch noch unbelaubte Baumkronen fallendes Licht. Licht in Kaskaden. Wie über die Ufer getretenes…

  • TOUR 42: BHF BAUMHOLDER – BÄRENBACHPFAD

    Es ist Mitte Oktober. Aber es könnte genauso gut ein Tag irgendwann im August sein. Bereits morgens um acht ist das Licht über der Landschaft gleißend hell und ein samtgrüner, wie aus einer unwirklichen Zwischenwelt herüberleuchtender Schimmer hüllt nach und nach alles ein. auch die dunklen Streifen ganz nahe an den Baumstämmen und die schwarzen Furchen der Äcker und die grauen Steine am Wegrand. Selbst in den Senken, ganz unten, wo der Morgendunst sich noch hält, leuchtet es golden. Man hat beinahe den Eindruck, als könne alles ringsumher jeden Augenblick wegfliegen, davongetragen werden vom Hauch dieses Sommermorgens im Oktober. Im Grunde könnte man die ganze Zeit mit Stehenbleiben, Schauen und…

  • TOUR 41/4. & 5. TAG: VON SOMMERHAUSEN NACH MARKTBREIT

    Vierter Tag. Im Laufe dieses Tages werde ich ganz nahe an eine Grenze herankommen, so nahe, dass ich sie buchstäblich mit jedem Schritt überschreiten könnte. Eine Grenze, von der ich nicht gedacht hätte, dass sie tatsächlich existiert, oder vielmehr, über deren Existenz ich mir nie Gedanken machen musste. Nach und nach in einen gewissen Automatismus des Gehens hineinzugelangen, der dazu führt, dass man ohne noch groß über dies oder jenes nachzudenken vor sich hinstiefelt und einfach einen Schritt auf den nächsten folgen lässt, mit dem unterschwelligen Gefühl, dass man nichts lieber tun würde als das, was man gerade tut, das habe ich bei stundenlangem Gehen ohne Pause ja schon häufiger…

  • TOUR 41/3. TAG: VON WÜRZBURG NACH SOMMERHAUSEN

    Dritter Tag. Es ist ein Morgen wie ein eingelöstes Feenversprechen. Der Himmel über der Stadt ist so weit wie ein Meer ohne Horizont. Und mit beinahe jeder Minute scheint er noch ein Stück weiter und noch eine Nuance heller zu werden. Die Choreographie der heutigen Etappe ist eine nahezu perfekte Mischung aus Bewegung und Innehalten, aus Erleben und Erfassen, aus Flüchtigkeit und Tiefe, und irgendwann im Laufe dieses Tages stellt sich jenes Gefühl von Freiheit und vielleicht auch von Glück ein, das alles, was irgendwie nach Zweifel oder Anspannung aussieht, eliminiert. Heute und auch am nächsten Tag muss ich an eine Sache keinen Gedanken verschwenden, nämlich, ob ich rechtzeitig an…

  • TOUR 41/TAG 1 & 2: VON ASCHAFFENBURG NACH SODEN

    Es gibt einen bestimmten Moment während dieser fünftägigen Tour, einen im Grunde zwar unscheinbaren und lange im Verborgenen verharrenden Moment, der irgendwann jedoch in meinem Bewusstsein aufleuchtet wie ein Meteor am Nachthimmel. Es ist der Nachmittag des vierten Tages. Von der ersten Sekunde an marschiere ich an diesem Tag über schier endlose Asphaltwege, durch ein einsames, abgeschiedenes Niemandsland, viele Stunden lang, Kilometer um Kilometer, ohne einen einzigen Augenblick innezuhalten. Oft verlaufen die Trassen schnurgerade auf den Horizont zu und scheinen irgendwo dort in den tief über die abgeernteten Felder dahinziehenden Wolken zu verschwinden. Ich denke nicht mehr nach. Ich nehme keine Einschätzungen mehr vor. Gehen, atmen, trinken, das ist im…

  • Tour 40: ANNWEILER AM TRIFELS – RICHARD-LÖWENHERZ-WEG & BURGENWEG

    Ich denke zurück. An die Anfänge. An eine Zeit, als ich noch keine klare Vorstellung davon hatte, was sich aus dem, was ich da gerade dabei war zu beginnen, entwickeln sollte, was ich selbst überhaupt anstrebte. Ich denke zurück. An all die wie Steine in der Tiefe eines Brunnens in den Katakomben meiner Erinnerung ruhenden Bilder und Wahrnehmungen, manche bereits verblasst wie alte Fotografien, manche jedoch auch immer noch so gegenwärtig wie gerade eben erst gespeichert. Vermutlicht gibt es keine Grenze für das Staunen, kein Maß, das man überschreitet, um danach hinabzusinken in einen Ozean schwarzer Gleichgültigkeit. Ich denke zurück. An so viele Wege, so viele Pfade, die ich mittlerweile…

  • TOUR 39 – 2. TAG/FORTS., 3. & 4. TAG: VON SCHÖLLKRIPPEN NACH ASCHAFFENBURG

    Im Nachhinein ist der erste Tag vor allem eines – großartig. Nicht dass ich von nun an häufiger das Scheitern zum Gestaltungsprinzip meiner Wanderungen erheben möchte, aber dieses eine Mal zumindest ist es das Unvollendete und das, was dazu geführt hat, was der Etappe den Schimmer des Besonderen verliehen hat. Wie beschlossen, fahre ich am zweiten Tag von Burgsinn mit dem Zug über Gemünden und Aschaffenburg nach Schöllkrippen, wo ich mich auf schnellstem Wege vom Bahnhof zu meinem Hotel begebe. Dieses Hotel wird für die nächsten beiden Tage mein Basislager sein. Die ganze Zeit warte ich auf den Ausbruch der irgendwo in stillen, unzugänglichen Sektoren meines Kopfes lauernden Müdigkeit, ich…

  • TOUR 39 – 1. TEIL: VON BURGSINN NACH LOHRHAUPTEN

    Ich beobachte die Schattierungen der Dämmerung. Erst ist da noch ein schmaler Saum bleichen, dünnen Lichtes, kleine Kerben und Linien, die eine nach der anderen zerfallen. Kein Leuchten mehr, nicht einmal mehr ein Glimmen, nur noch ein verblassendes, brüchiges Grau. Zunächst noch ein helles Grau, sehr rasch aber ein dunkles, schon beinahe undurchdringliches Grau. Zwischen den Bäumen, unter dem dichten Geäst, haben sich längst die Schatten der Nacht ausgebreitet, still und beklemmend und wie verwoben mit einer im Verborgenen lauernden Gefahr. Ich bleibe stehen. Ein paar Herzschläge lang habe ich das Gefühl, in eine vollkommene Leere hineingeraten zu sein. Dann gehe ich weiter. Ich gehe einfach weiter an dieser Landstraße…

  • Tour 38: Von Worms nach Osthofen

    Es ist wieder eine dieser Wanderungen, die ich mittlerweile so besonders mag. Eine Tour, die eine Stadtlandschaft mit Natur in vielfältigen Erscheinungsformen verbindet, bei der ich in das ameisengleiche Gewimmel belebter Straßen eintauche, aber auch die Abgeschiedenheit fast menschenleerer Landstriche durchstreife, und bei der sich mir durch diese Gegensätze ein beinahe unerschöpflicher Raum für Erkundungen und Eindrücke eröffnet. Ich bin ohne Eile unterwegs. Es ist warm, der Himmel leuchtet in einem sanften, hellen Blau und das Gehen fühlt sich so angenehm an, als würde ich barfuß über einen Blütenteppich dahinschreiten. Es hat schon unbehaglichere Anfänge auf meinen Wanderungen gegeben. Während ich durch die Wormser Fußgängerzone trotte, rufe ich mir kurz…

  • TOUR 36: VON BOURGLINSTER NACH BLUMENTHAL/TOUR 37: MANTERNACHER FIELS

    Es ist ein heller, warmer Frühlingstag, ein Tag wie milde Maimorgenlandluft, die durch das offene Fenster ins abgedunkelte Zimmer hereinweht, ein Tag, an dem man versuchen könnte, aus Popelinezwirn einen Supraleiter für Teilchenbeschleuniger herzustellen, und es würde gelingen. Ich bin diesmal mit zwei Freunden unterwegs, Frank und Christian. Wir befinden uns in dem kleinen Ort Bourglinster in Luxemburg und die Strecke, die wir zurücklegen wollen, ist Teil der Extratour D des Mullerthal-Trails. Es ist bereits Nachmittag. Licht, Sonne, Wärme – von allem gerade genug, nicht zu wenig, nicht zu viel. Also einfach losstiefeln und schauen, was der Weg so zu bieten hat! In der Ortsmitte stoßen wir auf einige Wegweiser.…

  • TOUR 35: MERZIG BHF – SCHLOSS FELLENBERG – WOLFSWEG

    Stille liegt über dem Wald. Eine Stille, so vollkommen, dass jegliche Bewegung zur Ruhe gekommen ist. Ich gehe sehr langsam. Die Erde schmiegt sich an meine Schuhe, fast, als würde der Pfad unter meinen Füßen lebendig werden. Die Sonne über den Bäumen ist weiß und warm und hell wie ein Gammastrahlenblitz. Dann kommt ein ganz leichter Wind auf. Kaum spürbar streicht er durch die Wipfel der Bäume und zwischen den Stämmen hindurch. Ich verharre einen Moment. Lausche auf etwas, das einen Herzschlag lang jenseits der Stille zu sein scheint oder vielleicht auch ein Teil davon ist, so als hätten plötzlich all die Farben um mich herum Stimmen bekommen. Ich bin…

  • TOUR 34 – 3. & 4. Tag: Von Lohr nach Rieneck

    Dritter Tag. Seltsam, vor Beginn dieser Tour hatte ich mir durchaus einige Gedanken darüber gemacht, wie ich mich am Morgen des dritten Tages wohl fühlen und ob mich die lange zweite Etappe vielleicht schon vollkommen zermürben und in meine Einzelteile zerlegen würde. Ich hatte zumindest mit irgendeiner Art von physischer Beeinträchtigung gerechnet, einer winzigen, kaum bemerkbaren Störung. Einem unangenehmen Ziehen in den Oberschenkeln, Schmerzen in den Waden, einer Blase an der Ferse. Aber stattdessen fühle ich mich so frisch und ausgeruht, als sei ich gerade mal über die Straße zum Brötchenholen gegangen. Nicht einen einzigen Augenblick lang schlage ich mich an diesem Morgen mit irgendeiner Art von Zweifeln herum. Ich…

  • Tour 34 – 2. Tag: Von Retzbach nach Lohr am Main

    Es ist immer noch anders. Auch am zweiten Tag. Oder vielmehr gerade am zweiten Tag, denn schließlich ist es das erste Mal überhaupt, dass es einen zweiten Tag gibt. Noch ist der erste Tag sehr präsent, manchmal nur als Aufblitzen eines Bildes oder einer Empfindung, manchmal aber auch als bewusstes, gelenktes Erinnern. Manches ist bereits jetzt dabei, sich zu verflüchtigen, abzusinken in tiefere Schichten des Vergessens, manches läuft nur noch unterschwellig ab, wird verdrängt und überlagert von den Eindrücken des neuen Tages. Meine Sinne und Gedanken sind einerseits auf das Erlebte des vergangenen Tages ausgerichtet, zugleich aber auch auf das unbekannte Neue, das vor mir liegt. Und so oder so…

  • TOUR 34/TAG 1: VON WÜRZBURG NACH RETZBACH

    Es ist anders diesmal. Vom ersten Augenblick an ist es anders. Vor mir liegen vier Tage und insgesamt etwa 120 Kilometer. Das verhält sich zu den Tagestouren, die ich bisher unternommen habe, wie Inhalieren zu Atmen, wie Lodern zu Glimmen. Es ist, als bräche ich in ein unbekanntes Nebelland auf, ohne Karte und ohne Kompass. Allerdings sind auch diese vier Tage lediglich ein Fragment, etwas, das einem größeren Zusammenhang zugeordnet ist. Denn es sind lediglich die ersten vier von 30 oder mehr Etappen, die ersten gut 100 von rund 900 Kilometern des Fränkischen Marienweges, den ich in den kommenden Monaten – vielleicht auch Jahren – nach und nach abwandern will.…

  • TOUR 33: BHF METTLACH – BURG MONTCLAIR – CLOEFPFAD

    Es ist zunächst nicht mehr als ein verlorener, heller, glänzender Punkt irgendwo vor mir. Eine ganze Weile gehe ich darauf zu, ohne ihm wirklich näherzukommen. Es ist kein Gedanke mehr in mir außer diesem: Ich darf nicht stehenbleiben, nicht einen einzigen Atemzug lang. Ich habe das Gefühl, mich in vollkommene Leere hinein- zubewegen. In meinem Kopf formt sich ein Bild: Ich mache einen Schritt zur Seite und stürze ins Nichts.   Einige Stunden zuvor. Unter einem fast perfekt blauen Himmel trabe ich vom Bahn- hof in Mettlach Richtung Saarufer. Der Tag ist ein Realität gewordener Frühlingstraum. Die Wärme und das Licht strömen wie ein intravenös ver- abreichtes Glückselixier durch meine…

  • TOUR 32: METZ & CANAL DE JOUY

    Regen. Ein dünner, kalter, unaufhörlicher, unerbittlicher Regen. Ein Regen, der leicht das dunkle Gefühl hervorbringen könnte, es lauere irgendwo unter diesem trüben, düsteren Himmel, irgendwo in den Straßen und Gassen der Stadt, etwas Unsichtbares, Gefahrvolles, nicht in Worte zu Fassendes. Ich stehe auf dem Place Charles de Gaulle in Metz und bringe die innere Stimme in mir zum Schweigen, die mir einreden will, dass ich mir kaum einen schlechteren Tag für diese Tour hätte aussuchen können. Einmal mehr werde ich heute Regen in verschiedenen Variationen kennenlernen, ich werde stundenlang durch eine graue, unwirkliche Wasserwelt treiben wie eine Schiffsplanke im Ozean, und die ganze Zeit werde ich dieses düstere Gebilde aus…

  • TOUR 31: BHF BEXBACH – BLUMENGARTEN – BRUNNENPFAD

    Es sind jene ganz besonderen Momente beim Gehen. Jene Momente, in denen ich nicht mehr versuche, etwas Bestimmtes zu tun oder zu erreichen, jene Momente, in denen ich eine Geduld in mir spüre, die Zeit allein nicht zu brechen vermag, in denen aus meinem Denken alles Vordergründige und Unwichtige verschwindet und es durchdrungen ist von einer großen Klarheit. Jene Momente, in denen nichts anderes von Bedeutung ist als das Hier und Jetzt. Ich atme gleichsam die Stille ein. Ich inhaliere so etwas wie innere Zufriedenheit oder Glück oder wie immer man es nennen will. Sie gehen natürlich vorüber, jene besonderen Momente. Doch etwas davon bleibt, als Gefühl, als Widerhall. Jetzt.…

  • TOUR 30 – BHF KIRN – WILDGRAFENWEG HOCHSTETTEN-DHAUN

    Vor Beginn dieser Tour hatte ich eigentlich nur einen einzigen Wunsch, nämlich, dass es eine von Anfang bis Ende unkomplizierte Wanderung werden soll. Ohne epische Umwege, ohne wie ein Wasserfall herabstürzende Regengüsse, ohne Windböen, gegen die ich anzukämpfen habe, und wenn es irgendwie geht, auch mit einem Himmel, der nicht die ganze Zeit aussieht wie ein alter Stofffetzen. Die ersten gut fünf Kilometer der Wanderung sind vernachlässigbar. Ich stiefele vom Bahnhof in Kirn aus an der Landstraße entlang nach Hochstetten-Dhaun und dort einige mehr oder weniger steile Straßen hinauf bis zum Start des Wildgrafenweges. Der Wildgrafenweg beginnt als fußbreiter Pfad unterhalb einer Landstraße. Zunächst noch Schatten, dann aber befinde ich…

  • TOUR 29: VON HOMBURG NACH LAUTZKIRCHEN

    Manchmal ist es gut, dass man nicht vorher weiß, was einen erwartet, denn wenn man es wüsste, würden vielleicht die Zweifel einsetzen, und Gedanken, schwer wie Steine, würden im Kopf zu rotieren beginnen, mehr und immer mehr, und irgendwann hätte man diesen Zweifeln und diesen Gedanken vielleicht nichts mehr entgegenzusetzen und man würde aufgeben, ohne auch nur den ersten Schritt getan zu haben. Nicht ausgeschlossen, dass es mir so ergangen wäre, hätte ich das Drehbuch dieser Tour morgens beim Aufstehen schon in allen Einzelheiten gekannt. Ich warte mit der Entscheidung darüber, ob ich die Wanderung unternehme, ohnehin bis zum allerletzten Moment. Über Nacht hat es geschneit, Regen und starke Windböen…

  • TOUR 28 – VON NIEDALTDORF NACH SIERSBURG

    Ich wusste, dass es das Ende war. Der Schmerz zerfetzte meine Lunge, schnürte mir die Luft ab, tötete mich. Mein Herz zersprang, meine Muskeln lösten sich auf. Ich keuchte, schnappte nach Luft. Mein flackernder Blick irrte die Anhöhe hinauf, die mir nun viel länger und steiler erschien als von ganz unten. Das einzig Gute war, dass es mich an einer Stelle erwischt hatte, die mitten im Wald lag. Mit letzter Kraft bugsierte ich mich mitsamt dem Fahrrad über den Straßengraben hinüber und ließ mich auf den weichen Waldboden sinken. Ich grinste. Es war interessant zu sehen, wie körperliche Schwäche im Handumdrehen den Geist zermürbte. Das würde sich aber wieder legen,…

  • TOUR 27: OTTWEILER: BHF – SCHAUINSLANDWEG – BHF

    Der Winter. Der Winter, das ist ein Himmel von fast durchsichtigem Blau. Es ist ein unablässiger Sog, der von irgendwo aus der Stille kommt, mal ganz nah, mal weit entfernt. Es ist das matte Rauschen des Windes, das Knirschen von Schnee unter den Stiefelsohlen. Und es ist eine ständige Veränderung des Lichts. Manchmal ist es ganz fahl, als habe jemand ein Stück Pergamentpapier vor die Sonne geschoben, manchmal eisig und klar wie der Mond über der Antarktis, und oft gibt es an einer Stelle einen schmalen Streifen Helligkeit, während alles andere wie von einem grauen Tuch umhüllt ist. Es ist die erste Wanderung des Jahres. Die Umstände sind widrig. Kälte,…

  • TOUR 26: IDAR-OBERSTEIN: BHF – „RUND UM DIE KAMA“ – BHF

    Es ist ein Tag, nicht schöner, aber auch nicht schlechter als irgendein anderer der vielen grauen Spätherbsttage der letzten Wochen, eher des sofortigen Vergessens als der Erinnerung wert. Ein Tag, nicht finster genug, um düstere Metaphern für ihn zu finden, aber es bleibt einem auch nicht gerade die Luft weg vor Begeisterung. Es wird eine der kürzesten Wanderungen des Jahres werden, nicht mehr als 10 Kilometer, im Grunde nur so etwas wie ein Epilog. Es ist beinahe, als würde ich mir nur ein wenig die Beine vertreten. Es ist zudem vielleicht die letzte Tour im Jahre 2016, aber nach Rückblick ist mir irgendwie ganz und gar nicht zumute. Was unter…

  • TOUR 25 – ST. WENDEL: BHF – TIEFENBACHPFAD – BHF

    Ich habe in dieser Nacht einen Traum, einen von der Sorte, die hinterher noch so gegenwärtig sind, dass sie einem beinahe vorkommen wie eine Erinnerung an ein reales Erlebnis. In diesem Traum gehe und gehe und gehe ich, ohne jemals an mein Ziel zu kommen, obwohl ich die ganze Zeit weiß, dass es nicht weit entfernt sein kann. Und wie durch einen dünnen, durchlässigen Schleier treiben die Bilder jenes Traumes noch eine Weile aus der geheimnisvollen Dunkelwelt, der sie angehören, in mein Bewusstsein, als ich längst schon wach bin. Alles an diesem Tag ist November. Bereits morgens um zehn Uhr ist es so dunkel, als würde jeden Moment die Nacht…

  • TOUR 24 – VON SAARBRÜCKEN NACH SAARGEMÜND

    Es ist ein kalter, windiger, trüber Vormittag, ein Vormittag, an dem man die Inspiration in sich fühlt, eine Geschichte zu schreiben voller Schemen und Schatten und dunklen Visionen. Novemberatmosphäre. Der Himmel ist irgendwas zwischen eisblumenweiß und staubgrau. So wird er allerdings keineswegs für den Rest des Tages aussehen, denn ein Charakteristikum dieser Tour wird das ständig sich verändernde Licht sein. Der Plan für den Tag ist denkbar unkompliziert: Ich will einfach knapp 20 Kilometer am Saarufer entlanggehen, von Saarbrücken nach Saargemünd in Frankreich. Ich werde diesen Plan auch in die Tat umsetzen, von der Kleinigkeit abgesehen, dass ich am Ende nicht nur knapp 20 Kilometer, sondern alles in allem über…