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TOUR 20 – PREMIUMWEG „BECKINGER SAARBLICKE“
Bereits vor dieser Tour ist eine wichtige Entscheidung gefallen: Im April nächsten Jahres werde ich meine Ankündigung wahrmachen und den 830, nach anderen Angaben über 900 Kilometer langen Fränkischen Marienweg in Angriff nehmen. Mir schwebt vor, das Ganze in 5 x 5 Etappen hinter mich zu bringen, vielleicht auch in 5 x 6. Ein wenig Flexibilität muss ich mir da gestatten. Für die erste Sequenz im April habe ich ca. 160 Kilometer vorgesehen. Die zweite Sequenz soll dann im Mai oder im Juni folgen. Hätte mir das vor einem Jahr jemand prophezeit, ich hätte ihm empfohlen, seinen Geisteszustand überprüfen zu lassen. Damals hätte ich es für wahrscheinlicher gehalten, mich freiwillig…
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TOUR 19 – HOFELD: SCHMUGGLERPFAD
Irgendwie ist an diesem Tag von Anfang an etwas durch und durch falsch. So falsch, als würde Schnee im Sommer fallen oder als würde ich erwachen und feststellen, dass ich nur eine fiktive Figur in einem Roman bin. Dabei sind eigentlich alle Voraussetzungen für eine großartige Wandertour gegeben: Die Farbenpracht des Herbstes in Verbindung mit der Wärme eines immer noch nachwirkenden Sommers, besser geht es doch gar nicht. Aber ich merke sehr rasch, dass ich heute nicht meinen besten Tag habe. Die letzten beiden Nächte habe ich kaum geschlafen und von der Leichtigkeit, mit der ich in den vergangenen Wochen wesentlich längere und schwierigere Strecken bewältigt habe, ist wenig zu…
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TOUR 18 – VON KONZ NACH SAARBURG
Der Morgen, das ist ein müdes Blinzeln am Rande einer jenseitigen Dunkelwelt, aus der wie durch einen dünnen, durchlässigen Schleier Bilder von Träumen in mein noch nicht ganz waches Bewusstsein treiben. Es ist ein samtenes Rauschen von Regen, fein und stetig und dunkel. Es ist die wispernde Stimme des Spätsommers, die bereits die Melancholie eines zu Ende gehenden Jahres erahnen lässt. Die Müdigkeit lässt mich an diesem Tag eine ganze Weile nicht los. Sogar auf der Zugfahrt nach Konz lässt sie noch nicht locker. Erst als ich bereits unterwegs bin, verflüchtigt sie sich nach und nach. Es wird eine der längsten Wanderungen bisher werden, alle freiwilligen und unfreiwilligen Umwege eingerechnet…
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TOUR 17 – VON VEITSHÖCHHEIM NACH WÜRZBURG TEIL 2
Von der Alten Mainbrücke bis zum Dom bin ich Teil eines Schwarms, der sich auf der Brücke irgend- wie zusammengefunden hat und der sich erst nach und nach auflöst. Vor dem Dom herrscht deutlich weniger Gedränge, aber dafür ist es ein stän- diges Kommen und Gehen. Vor allem aber: Endlich mal Schatten! Den habe ich seit Veitshöchheim nicht mehr ge- habt. Ich atme tief durch. Mit Carmen zusammen, die bereits auf mich wartet, betrete ich inmitten eines Pulks von Menschen den Dom. Der Pulk entpuppt sich als eine Reisegruppe von Amerikanern. Ein Stadtführer erzählt in fränkisch angehauchtem Englisch irgendwas über die Baugeschichte des Doms. Lichtumflossenes Halbdunkel Im…
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TOUR 17 – VON VEITSHÖCHHEIM NACH WÜRZBURG TEIL 1
Vier Monate sind ins Land gegangen, seitdem ich mit diesem Wandertagebuch begonnen habe. Vier Monate, in denen das Wandern bzw. Gehen zu einem bestän- digen, einem substanziellen Teil meines Lebens ge- worden ist. Der Entschluss zum Wandern/Gehen hat sich als Be- ginn von etwas erwiesen, das ich mittlerweile mit Fug und Recht als inneren und äußeren Aufbruch bezeich- nen kann. Ich bin in nahezu keiner Hinsicht mehr an jenem Punkt, von dem aus ich damals aufgebrochen bin. Damals noch undenkbar Ich bin erstens körperlich wesentlich fitter. Distanzen, die mir damals noch den Garaus gemacht hätten, könnte ich inzwischen fast schon auf einem Bein abhüpfen. Zweitens kreisen meine Gedanken…
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TOUR 16 – LEBACH: KALTENSTEINPFAD
Ich starte diese Tour unter einem trüben, diesigen Morgenhimmel, dem man schon ansieht, dass es nur eine Frage der Zeit ist, bis er sich mal wieder so richtig ausregnen kann. Also ist heute mal wieder Wandern als Selbstbehauptung angesagt, als Kampf gegen alle möglichen unbeeinflussbaren Widrigkeiten. Andererseits: Die Strecke ist ziemlich kurz, nur knapp 8 Kilometer. Vielleicht werde ich Glück haben und dem Regen entrinnen. Ich marschiere ins Zwielicht des frühmorgendlichen Waldes hinein. Es ist noch nicht mein Morgen. Auf dem ersten Kilometer fühle ich mich schwerfällig wie ein zum Leben erwachter Stein. Irgendwie habe ich den Eindruck, dass sich mein gewohnter Rhythmus beim Gehen heute nicht einstellen wird –…
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TOUR 15 – BAUMHOLDER-FRAUENB.: GRÄFIN-LORETTA-WEG
Wir starten diese Tour wohlweislich ziemlich früh am Morgen. Am Tag zuvor ist es so heiß gewesen, dass die Luft über dem Asphalt flimmerte wie über dem Mojave-Highway in den USA, und auch für heute sind hohe Temperaturen angekündigt. Als wir kurz vor neun losgehen, ist es jedoch noch über- raschend kühl. Frank, der Freund, mit dem ich diesmal unterwegs bin, hat kurze Hosen und ein T-Shirt an, während ich mit Jeans und Pulli – allerdings mit aufgekrempelten Ärmeln – rumlaufe. Wir lassen es langsam angehen, trotten gemächlich über einen asphaltierten Weg in den Wald hinein. Ein Holztor markiert den eigentlichen Beginn der Strecke. Im Laufe der nächsten…
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TOUR 14 – NEUSTADT/WEINSTR.: BHF – HOHFELS – WEINBIET – BHF
Wieder einmal muss ich kurzfristig meine Pläne ändern und aus der geplanten Städtetour nach Karlsruhe wird nach einigem Überlegen und Verwerfen schließlich eine Wandertour mit Start am Bahnhof in Neustadt an der Weinstraße. Auf dem ersten Abschnitt der Strecke bis zur Ruine Wolfsburg wird mich ein Freund begleiten. Den Rest der fast 20 Kilometer langen Wanderung, die buchstäblich über Stock und vor allem Stein führt, werde ich dann alleine zurücklegen. Als ich in Neustadt die Treppe vom Bahnsteig zur Unterführung hinuntersteige, sprintet gleich mal eine Gruppe von Seniorenwanderern an mir vorüber. Ich habe es zunächst nicht ganz so eilig. In aller Ruhe trotte ich vom Bahnhof zur Fußgängerzone,…
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TOUR 13 – THELEY: OFFIZIERSPFAD
Nebel liegt über den Feldern. Ein dünner, grauer, allmählich emporsteigender Nebel. Spätsommernebel, fast schon Herbstnebel. Ein Nebel, wie er in alten Schwarz-Weiß-Filmen mitunter über einem Moor emporwallt und aus dem dann der erstickte Schrei einer Frau dringt. Es ist früher Morgen. Ich bin jedoch so wach und fast aufgedreht, als hätte ich eine magische Formel entdeckt, die bewirkt, dass ich nie wieder schlafen muss. Ich fühle mich von Beginn an wohl mit dieser Strecke. Von dem Parkplatz aus, auf dem ich starte, windet sich der Pfad schmal wie ein ausgetrocknetes Rinnsal zwischen hohen Bäumen hindurch, an Farnstauden und niedrigen Büschen vorüber. Es ist fast noch genauso still, als wenn noch…
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TOUR 12 – SAARHÖLZBACHPFAD
In einigen Jahren – ob ich dann noch unterwegs sein sollte oder nicht – werden mir diese ersten Touren vielleicht seltsam vorkommen. Vermutlich, weil die meisten Anfänge irgendwie seltsam sind, wenn man später darauf zurückschaut. Es spielt natürlich keine große Rolle. Viel wichtiger als den Eindruck, den ich in ferner Zukunft von den Anfängen meiner Wanderungen haben werde, ist die Tatsache, dass es diesen Anfang überhaupt gegeben hat. Heute bin ich im äußersten Nordwesten des Saarlands, in Saarhölzbach. Die Steilhänge an der Saar am jenseitigen Flussufer gehören teilweise schon zu Rheinland-Pfalz. Im Süden ist die Saarschleife nicht weit. Bis Trier im Norden von hier sind es rund 30 Kilometer, bis…
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TOUR 11 – MARPINGEN: BIBERPFAD
Irgendwo, so denke ich im Laufe dieser Tour immer wieder, irgendwo in den unzugänglichsten Katakomben der Vorsehung, weit, weit jenseits von allem, was für den menschlichen Geist begreifbar ist, muss ein geheimnisvolles Buch aufbewahrt liegen, verschlossen von 77 Siegeln, in dem die Windungen des Schicksals eines jeden Einzelnen bis ins kleinste Detail aufgezeichnet sind, und in diesem von 77 Siegeln verschlossenen Buch ist auch die Erklärung für alles zu finden, was mit Beginn meiner Wanderungen an erstaunlichen Entwicklungen eingesetzt hat, mit dem vorläufigen Höhepunkt, fast 1000 Kilometer durch Unterfranken wandern zu wollen. Im Augenblick aber zählt erst einmal das Hier und Jetzt. Ich starte diese Wanderung zu einer Zeit, als…
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TOUR 10 – KUSEL: BAHNHOF – BURG LICHTENBERG – BAHNHOF
Am Morgen, nach einer beinahe schlaflosen Nacht, fühle ich mich zunächst, als hätte ich seit dem Urknall kein Auge mehr zugetan. Als Maßeinheit für die Geschwindigkeit, mit der ich mich bewege, reicht Meter pro Minute locker aus. Die frische Luft draußen bringt mich jedoch bald auf Trab. Bei meiner Ankunft in Kusel erwartet mich ein Postkartenfirmament. Selbst wenn man kurz die Augen schließt, ist es noch so hell, als würde man in einer zerplatzten Kugel aus reinem Licht stehen. Ich habe bei meinen Wanderungen der letzten Wochen so viele Orte gesehen, über denen der Blues lag, dass ich nichts gegen diese Abwechslung einzuwenden habe. Allerdings habe ich bereits während der…
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TOUR 9 – THOLEY: ABTEI – „SCHAUMBERGER TAFELTOUR“
Ich hasse es, einen Wanderbericht schon wieder mit dem Wort eigentlich beginnen zu müssen, Es ist ein Wort, das sich bei allzu häufigem Gebrauch nach Versagen anhört, nach dem Verfehlen von Zielen, nach Scheitern, nach Ausrede. Diesmal jedoch handelt es sich um etwas völlig Banales. Ursprünglich war für diesen Tag eine Wanderung zu zweit vorgesehen, und zwar in Kusel. Von dort sollte es in Richtung Burg Lichtenberg gehen, der längsten Burgruine Deutschlands. Diese Wanderung wird jetzt aus verschiedenen Gründen eine Woche später stattfinden. Ich vergeude nicht viel Zeit damit, eine Alternative ausfindig zu machen, sondern entschließe mich kurzfristig, einen Premiumwanderweg abzuwandern, zu dem ich nur ein paar Kilometer Anreise habe.…
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TOUR 8: VON KOMPROMISSEN UND ENTSCHLÜSSEN
Kapelle Macherbach – Schloss Buseck – „Großer Kapellenweg“ (teilweise) Diese Wanderung ist ein Kompromiss. Ein Kompromiss zwischen Unvernunft und Selbsterhaltung. Ich will unbe- dingt wandern, komme aber nicht umhin, der Tatsache Rechnung zu tragen, dass ich leicht erkältet bin. Die Erkältung ist zwar bereits dabei, sich zu verabschieden, aber ein vereinzeltes Husten zeigt mir, dass sie immer noch auf ihre Chance lauert. Wie auch immer, ich reagiere auf die Umstände und suche mir eine Strecke aus, die praktisch vor meiner Haustür liegt. Um mich schon ein wenig in Schwung zu bringen und an die Bewegung zu gewöhnen, fahre ich die paar Kilo- meter zum Ausgangspunkt der Tour mit dem…
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TOUR 7 – ZWEIBRÜCKEN: BAHNHOF – TSCHIFFLICK – TROMPETENHÜGEL
Das wirklich Substanzielle am Wandern, das, was mich letztendlich dazu bringt, es überhaupt zu tun, ist das Gehen. Nicht das, was ich sehe, nicht das, was ich erlebe, nicht die Städte, nicht die Sehenswürdigkeiten, nicht einmal die Natur. Nein, es ist das Gehen, die Bewegung. Die anderen Dinge sind auch wichtig, denn sonst könnte ich ja einfach jeden Tag um den Häuserblock joggen. Aber weder jedes einzelne davon für sich genommen noch alle zusammen wären Anreiz genug. Für mich als Autor liegt es natürlich nahe, das Gehen als Quelle der Inspiration zu nutzen. Es ist erwiesen, dass körperliche Bewegung die Konzen- trationsfähigkeit steigert. Im Gehen denkt es sich…
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TOUR 6: Bruchmühlbach-Miesau – DIE VIER STADIEN DES WARTENS
Es geht heute in die Westpfalz, nach Bruchmühlbach-Miesau. Der Ort liegt nur wenige Kilometer oder eine Bahnstation von Landstuhl entfernt, wo ich vor einigen Wochen kläglich an meiner aleatorischen Chaosplanung gescheitert bin. Diesmal ist nach menschlichem Ermessen ein solches Desaster nahezu ausgeschlossen, denn unsere Tour ist bis ins kleinste Detail festgelegt: Wir werden uns vom Bahnhof zunächst zum Schützenhaus am anderen Ende des Ortes begeben und von dort aus dann einen Teil des „Sagenhaften Waldpfades“ erwandern. Den gesamten Weg – immerhin gut 16 Kilometer – zu bewältigen, kommt aus Zeitgründen nicht in Frage, denn die Freundin, mit der ich verabredet bin, hat eine recht lange Anreise und zudem Zugbindung. Sie…
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TOUR 5 – IDAR-OBERSTEIN: BAHNHOF – FELSENKIRCHE – „NAHE-FELSEN-WEG“ – BAHNHOF
Und schon wieder geistern Warnungen vor Gewittern und vor Starkregen durch die Wettervorhersagen. Die Freundin, mit der ich die Tour eigentlich unternehmen wollte, sagt deshalb ab, was ich ihr nicht verdenken kann. Ich selbst bin allerdings entschlossen, mich nicht vom Wandern abhalten zu lassen. Zwei Varianten stehen zur Auswahl. Erstens „Rund um die Kama“, zweitens der „Nahe-Felsen-Weg“. Bei Licht betrachtet – und auch bei Dunkelheit und allen Nuancen dazwischen – ist die Kama-Variante an diesem Tag des angekündigten Weltuntergangs die bessere. Sie ist deshalb die bessere, weil sie die leich- tere und kürzere ist, was nicht zuletzt bedeutet, dass die Gefahr, in ein Unwetter zu geraten, geringer ist. Wären…
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TOUR 4 – NOHFELDEN: BAHNHOF – BURG – „BÄRENPFAD“ – BAHNHOF
Der Tag beginnt mit einer Schnittwunde. Beim Packen des Rucksacks greife ich in eine vergessene Schere und bezahle für diese Fahrlässigkeit mit einem niederträchtigen, übel blutenden Schnitt am rechten Zeigefinger. Ärgerlicherweise wirft dies – soll man es Malheur oder Dummheit nennen – meine Zeitplanung über den Haufen und ich fahre eine Stunde später als vorgesehen los. Es ist später Vormittag, als ich in Nohfelden aus dem Zug steige. Ich bin nicht nur der einzige Fahrgast, der aussteigt, sondern ich war – außer dem Lokführer – der einzige Mensch, der sich überhaupt noch in dem Zug aufgehalten hat. Selbst der Schaffner hat ihn eine Station zuvor verlassen. Ich schaue kurz dem…
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TOUR 3: EIN ROTER FADEN, TEIL 2
Hannover: „Roter Faden“ – Maschsee – Ricklinger Kies- teiche – Bahnhof Nachdem wir uns auf die vorbestellten ebikes geschwungen haben, geht es so rasch wie möglich zurück zum Neuen Rathaus, dem Punkt, an dem wir unsere Tour eine knappe Stunde zuvor unterbrochen haben. Im Laufe der nächsten Stunden werde ich eine Über- raschung erleben: Ich werde das Fahren mit dem ebike nämlich so sehr zu schätzen lernen, dass ich kaum noch absteigen will. Ich werde das Gefühl haben, zu einer nahezu perfekten Mensch-Maschine-Einheit zu mutieren, die „geheimnisvollen Tore des Unmöglichen aufzubrechen“, wie Marinetti es vor über einem Jahrhundert in seinem Futuristischen Manifest formulierte. Gut, sobald ich den Motor…
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TOUR 3: EIN ROTER FADEN
Hannover: „Roter Faden“ – Maschsee – Ricklinger Kiesteiche – Bahnhof Es ist für mich eine Reise in die Vergangenheit, denn vor vielenvielenvielen Jahren habe ich eine Zeit lang in Hannover gelebt. Es ist fast schon zu lange her, um von mir noch als verbürgte Realität meines eigenen Lebens wahrgenommen zu werden, aber dennoch wird mich bei vielen Örtlichkeiten ein heller Blitz des Wiedererkennens durchzucken. Die Anreise ist lang und mein Vorhaben, im Zug an einigen Texten zu arbeiten, erweist sich als undurchführbar. Zu viele Menschen, zu viele Gerüche, zu viel Lärm, zu oft umsteigen. Auf solch unwirtlichem Boden gedeiht meine Konzentration nicht. Bei dieser Tour wird es…
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TOUR 2: „IRRUNGEN, WIRRUNGEN“
Landstuhl: Bahnhof – Bismarckturm – Burg Nanstein – Bahnhof Diese Tour mache ich allein. Es wird eine Chaostour werden, geprägt von den Auswirkungen eines unzulänglichen Orientierungssinnes in Verbindung mit dem verhängnisvollen Entschluss, mich im Großen und Ganzen auf eben jenen Orientierungs- sinn zu verlassen. Konkret sieht das folgendermaßen aus: Ich lege vorher ein paar Etappenziele fest und vergegenwärtige mir durch Anschauen einer Karte grob, wie ich zu gehen habe. Das ist alles. Ansonsten, so mein Entschluss, will ich mich lediglich auf das verlassen, was die Natur mir bietet: Stadtpläne, auf die ich zufällig an irgend- einer Straßenecke stoße, Hinweisschilder, hilfsbereite Passanten. „Wohl weiß ich die Wege…“ …
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TOUR 1: „WANDRERS REGENLIED“
Die Tour beginnt im Regen. Sie beginnt im Regen und sie endet im Regen und in dem Zeitraum dazwischen gibt es keine zehn Minuten, in denen es nicht regnet. Nur die Stärke des Regens variiert. Der Himmel ist die ganze Zeit wie ein grauer, flacher See. Die gute Nachricht: Wir sind einigermaßen vorbereitet, nicht nur, was die Ausrüstung betrifft, sondern auch mental. Wir haben uns schließlich die Wettervorhersagen genauestens zu Gemüte geführt. Außerdem ist Regen doch nichts weiter als Wasser, als shui, der Ursprung des Lebens, ein Urelement vieler Schöpfungsmythen. Nichts, das man zu fürchten oder zu scheuen bräuchte, solange es nicht in unbeherrschbaren Dimensionen auftritt. Vom Bahnhof aus geht…