• TOUR 6: Bruchmühlbach-Miesau – DIE VIER STADIEN DES WARTENS

    Es geht heute in die Westpfalz, nach Bruchmühlbach-Miesau. Der Ort liegt nur wenige Kilometer oder eine Bahnstation von Landstuhl entfernt, wo ich vor einigen Wochen kläglich an meiner aleatorischen Chaosplanung gescheitert bin. Diesmal ist nach menschlichem Ermessen ein solches Desaster nahezu ausgeschlossen, denn unsere Tour ist bis ins kleinste Detail festgelegt: Wir werden uns vom Bahnhof zunächst zum Schützenhaus am anderen Ende des Ortes begeben und von dort aus dann einen Teil des „Sagenhaften Waldpfades“ erwandern. Den gesamten Weg – immerhin gut 16 Kilometer – zu bewältigen, kommt aus Zeitgründen nicht in Frage, denn die Freundin, mit der ich verabredet bin, hat eine recht lange Anreise und zudem Zugbindung. Sie…

  • TOUR 5 – IDAR-OBERSTEIN: BAHNHOF – FELSENKIRCHE – „NAHE-FELSEN-WEG“ – BAHNHOF

    Und schon wieder geistern Warnungen vor Gewittern und vor Starkregen durch die Wettervorhersagen. Die Freundin, mit der ich die Tour eigentlich unternehmen wollte, sagt deshalb ab, was ich ihr nicht verdenken kann. Ich selbst bin allerdings entschlossen, mich nicht vom Wandern abhalten zu lassen.   Zwei Varianten stehen zur Auswahl. Erstens „Rund um die Kama“, zweitens der „Nahe-Felsen-Weg“. Bei Licht betrachtet – und auch bei Dunkelheit und allen Nuancen dazwischen – ist die Kama-Variante an diesem Tag des angekündigten Weltuntergangs die bessere. Sie ist deshalb die bessere, weil sie die leich- tere und kürzere ist, was nicht zuletzt bedeutet, dass die Gefahr, in ein Unwetter zu geraten, geringer ist. Wären…

  • TOUR 4 – NOHFELDEN: BAHNHOF – BURG – „BÄRENPFAD“ – BAHNHOF

    Der Tag beginnt mit einer Schnittwunde. Beim Packen des Rucksacks greife ich in eine vergessene Schere und bezahle für diese Fahrlässigkeit mit einem niederträchtigen, übel blutenden Schnitt am rechten Zeigefinger. Ärgerlicherweise wirft dies – soll man es Malheur oder Dummheit nennen – meine Zeitplanung über den Haufen und ich fahre eine Stunde später als vorgesehen los. Es ist später Vormittag, als ich in Nohfelden aus dem Zug steige. Ich bin nicht nur der einzige Fahrgast, der aussteigt, sondern ich war – außer dem Lokführer – der einzige Mensch, der sich überhaupt noch in dem Zug aufgehalten hat. Selbst der Schaffner hat ihn eine Station zuvor verlassen. Ich schaue kurz dem…

  • TOUR 3: EIN ROTER FADEN, TEIL 2

    Hannover: „Roter Faden“ – Maschsee – Ricklinger Kies- teiche – Bahnhof   Nachdem wir uns auf die vorbestellten ebikes geschwungen haben, geht es so rasch wie möglich zurück zum Neuen Rathaus, dem Punkt, an dem wir unsere Tour eine knappe Stunde zuvor unterbrochen haben. Im Laufe der nächsten Stunden werde ich eine Über- raschung erleben: Ich werde das Fahren mit dem ebike nämlich so sehr zu schätzen lernen, dass ich kaum noch absteigen will. Ich werde das Gefühl haben, zu einer nahezu perfekten Mensch-Maschine-Einheit zu mutieren, die „geheimnisvollen Tore des Unmöglichen aufzubrechen“, wie Marinetti es vor über einem Jahrhundert in seinem Futuristischen Manifest formulierte.   Gut, sobald ich den Motor…

  • TOUR 3: EIN ROTER FADEN

    Hannover: „Roter Faden“ – Maschsee – Ricklinger Kiesteiche – Bahnhof   Es ist für mich eine Reise in die Vergangenheit, denn vor vielenvielenvielen Jahren habe ich eine Zeit lang in Hannover gelebt. Es ist fast schon zu lange her, um von mir noch als verbürgte Realität meines eigenen Lebens wahrgenommen zu werden, aber dennoch wird mich bei vielen Örtlichkeiten ein heller Blitz des Wiedererkennens durchzucken.   Die Anreise ist lang und mein Vorhaben, im Zug an einigen Texten zu arbeiten, erweist sich als undurchführbar. Zu viele Menschen, zu viele Gerüche, zu viel Lärm, zu oft umsteigen. Auf solch unwirtlichem Boden gedeiht meine Konzentration nicht.   Bei dieser Tour wird es…

  • TOUR 2: „IRRUNGEN, WIRRUNGEN“

    Landstuhl: Bahnhof – Bismarckturm – Burg Nanstein – Bahnhof   Diese Tour mache ich allein. Es wird eine Chaostour werden, geprägt von den Auswirkungen eines unzulänglichen Orientierungssinnes in Verbindung mit dem verhängnisvollen Entschluss, mich im Großen und Ganzen auf eben jenen Orientierungs- sinn zu verlassen.   Konkret sieht das folgendermaßen aus: Ich lege vorher ein paar Etappenziele fest und vergegenwärtige mir durch Anschauen einer Karte grob, wie ich zu gehen habe. Das ist alles. Ansonsten, so mein Entschluss, will ich mich lediglich auf das verlassen, was die Natur mir bietet: Stadtpläne, auf die ich zufällig an irgend- einer Straßenecke stoße, Hinweisschilder, hilfsbereite Passanten.   „Wohl weiß ich die Wege…“  …

  • TOUR 1: „WANDRERS REGENLIED“

    Die Tour beginnt im Regen. Sie beginnt im Regen und sie endet im Regen und in dem Zeitraum dazwischen gibt es keine zehn Minuten, in denen es nicht regnet. Nur die Stärke des Regens variiert. Der Himmel ist die ganze Zeit wie ein grauer, flacher See. Die gute Nachricht: Wir sind einigermaßen vorbereitet, nicht nur, was die Ausrüstung betrifft, sondern auch mental. Wir haben uns schließlich die Wettervorhersagen genauestens zu Gemüte geführt. Außerdem ist Regen doch nichts weiter als Wasser, als shui, der Ursprung des Lebens, ein Urelement vieler Schöpfungsmythen. Nichts, das man zu fürchten oder zu scheuen bräuchte, solange es nicht in unbeherrschbaren Dimensionen auftritt. Vom Bahnhof aus geht…