TOUR 17 – VON VEITSHÖCHHEIM NACH WÜRZBURG TEIL 2
Von der Alten Mainbrücke bis zum Dom bin ich
Teil eines Schwarms, der sich auf der Brücke irgend-
wie zusammengefunden hat und der sich erst nach
und nach auflöst.
Vor dem Dom herrscht deutlich weniger
Gedränge, aber dafür ist es ein stän-
diges Kommen und Gehen. Vor allem
aber: Endlich mal Schatten! Den habe
ich seit Veitshöchheim nicht mehr ge-
habt.
Ich atme tief durch.
Mit Carmen zusammen, die bereits auf
mich wartet, betrete ich inmitten eines
Pulks von Menschen den Dom.
Der Pulk entpuppt sich als eine Reisegruppe
von Amerikanern. Ein Stadtführer erzählt in
fränkisch angehauchtem Englisch irgendwas
über die Baugeschichte des Doms.
Lichtumflossenes Halbdunkel
Im Innern des Doms herrscht kühles,
lichtumflossenes Halbdunkel. Erstaun-
licherweise ist er fast leer. Wobei, ein
paar Dutzend Menschen sind es schon,
aber sie verlieren sich. Nur vorne am
Altar sammelt sich die Masse.
Ein Mann, der Teil einer 5-oder 6köpfigen
Gruppe ist, doziert in etwas selbstge-
fälligem Expertentonfall über die Ent-
stehungsgeschichte des Altars. Es
klingt, als habe er dies schon lange
nicht mehr tun können und ergreife jetzt die
Gelegenheit beim Schopf, sein Wissen
präsentieren zu können.
Ich persönlich finde, dass der Dom für einen Dom
erstaunlich schlicht wirkt, aber vielleicht habe ich
auch nur eine gänzlich falsche Vorstellung davon, wie
ein Dom auszusehen hat.
Draußen erwartet uns dann wieder die Hitze. Und sie
dreht jetzt richtig auf. Sie bringt zwar nicht den As-
phalt zum Kochen, aber so langsam meinen Schädel.
Für einen Moment, aber auch nur einen einzigen, sehne
ich mich nach einem pfadlosen Weg in einem Schatten-
wald.
Noch kurz ein paar Außenfotos und dann harrt meiner
eine Überraschung.
Inmitten des Lärms der Innenstadt, in-
mitten der Hektik und der Fron des all-
täglichen Getriebenseins, inmitten all
dieses Hintergrundrauschens, findet
sich – nur wenige Schritte vom Dom entfernt –
ein Mikrokosmos der Stille: Das Lusam-
gärtchen.
Carmen erzählt mir, dass sie sich früher
häufig für kurze Zeit hierherbegeben hat,
um Atem zu schöpfen und wenigstens für
ein paar Minuten die überreizten Sinne zur
Ruhe kommen zu lassen.
Kontrastprogramm
Kurz darauf wieder Kontrastprogramm.
Wir sind in der Fußgängerzone und das be-
deutet verdichtete Bilder und Geräusche von allen
Seiten. Neue Eindrücke im Nanosekundentakt. Aber
ich genieße es.
Menschen zu Fuß.
Menschen auf Fahrrädern.
Menschen, die erkennbar große Eile haben und solche,
die alle Zeit der Welt zu haben scheinen.
Von irgendwoher weht Akkordeonmusik herüber.
Nicht mal das stört mich.
Mitten in der Fußgängerzone befindet
sich die Marienkapelle. Sie ist einer
der 50 Wallfahrtsorte des Fränkischen
Marienweges, den ich ja bald in Angriff
nehmen will.
Fand ich den Dom – für einen Dom – noch
recht schlicht und klein, so wirkt die
Marienkapelle – für eine Kapelle – geradezu
riesig auf mich. Aber sie sticht nicht nur
wegen ihrer Größe ins Auge. Es ist auch
dieser rote Turm. Ich weiß gar nicht so genau, ob mir
das Rot gefällt oder nicht. Aber ich bin in einer Stim-
mung, in der mir irgendwie alles zusagt und in der ich
zur Not auch blaues Efeu an Häusermauern oder schwarz
gestrichenes Straßenpflaster toll fände.
Das Innere der Marienkapelle macht dann schon eher
den Eindruck einer Kapelle. Ich muss mich wohl damit
abfinden, dass mir, was Kapellen und Kirchen angeht,
die richtigen Maßstäbe fehlen.
Carmen will mir unbedingt das Käppele
zeigen, das ich ja ein paar Stunden
zuvor schon auf meinem Weg hoch
zur Festung von weitem in Augenschein
genommen habe.
In unmittelbarer Nähe gibt es auch noch
einen zur Frankenwarte gehörenden Aus-
sichtsturm, der angeblich ganz reizvoll ist.
„Nur wo du zu Fuß warst…“
Um zum Käppele zu kommen, müssen wir an der Residenz
vorüber auf die andere Mainseite. Das ist schon ein Stück
Weges, Vor allem aber geht es dann noch einen Kreuzweg
mit fast 250 Stufen hinauf.
Aber wie es schon bei Goethe heißt: „Nur wo du zu Fuß
warst, bist du auch wirklich gewesen.“ Wobei noch die
Frage wäre, ob Goethe das auch dann gesagt hätte, wenn
er Auto, Zug und Flugzeug als Alternative zur Verfügung
gehabt hätte und nicht nur Kutschen, in denen es so be-
quem war wie auf einem Zaunpfahl.
Der Aufstieg zum Käppele zieht sich und wir lassen uns
Zeit.
Eine alte Frau hält sich schwer atmend am Geländer
fest.
„Sie sind ja noch jung“, meint sie zu uns.
Dazu könnte ich einiges sagen, aber ich begnüge mich
mit einem trockenen: „Das täuscht.“
Es ist wirklich ein Tag der Über-
raschungen. Auch das Käppele sieht
aus der Nähe betrachtet anders aus,
als ich erwartet habe.
Die Kuppeln der Türme sind nicht zierlich,
wie ich es mir in meiner Unkenntnis aus-
gemalt habe, sondern sie erinnern an
umgestülpte bauchige Gläser. Wahrscheinlich
hat mich einfach auch der Diminutiv durcheinander-
gebracht. „Käppele“, das hört sich nun nicht gerade
nach einem großen Bauwerk an.
Ansonsten ist das hier ein wunderbarer Ort.
Wieder mal der Blick über den Main, über die Stadt
und bis an den Rand eines schimmernden Horizonts.
Dazu all die steinernen Treppen und Geländer, die
zusammen mit den Bäumen keinen Platz für irgendeine
Art von Verstimmung lassen
Carmen kennt als gebürtige Würzburgerin hier na-
türlich jeden Stein mit Vornamen, aber sie freut sich
an meiner Begeisterung.
Am Schluss der Tour dann noch ein
kleiner, aber vernachlässigbarer
dissonanter Akkord. Der Münzautómat,
in den man einen Euro einwerfen muss,
damit die Drehtür sich bewegen lässt
und man zu dem Aussichtsturm an der
Frankenwarte hinaufsteigen kann, behält
zwar meinen Euro ein, aber die
Drehtür ist und bleibt verschlossen.
2 Comments
Ursula Dahinden-Florinett
Deine Tour 17 Würzburg gefällt mir. Sie ist anschaulich beschrieben, sodass man vielleicht einen Besuch dieser Stadt ins Auge fassen sollte.
gorm
Meiner Meinung nach ist Würzburg eine wunderbare Stadt, die ganz sicher einen Besuch wert ist.