Wandertouren

VON BEXBACH ÜBER VIER PREMIUMWEGE NACH OTTWEILER

Es gibt keine lange Dämmerung an diesem Morgen. Das nächtliche Dunkel geht für kaum länger als einen tiefen Atemzug in ein grau schimmerndes Zwielicht über, dann aber zieht ein strahlend heller Tag herauf. Am Himmel steht eine diamantene Sonne. Selbst in den engen Straßen, zwischen all den Begrenzungen durch Häuserfassaden und sonstige starre Strukturen fühlt es sich an, als würde man in die Weite eines bis zum Horizont schrankenlosen Ozeans hinaustreiben.

Schon als ich mich um neun Uhr morgens vom Bahnhof Bexbach aus – am ältesten erhaltenen Bahnhofsgebäude des Saarlandes vorüber – auf den Weg mache, sind es weit über 20 Grad. Und obwohl es im Verlauf der nächsten Stunden noch deutlich heißer werden wird, spürt und sieht man überall den Herbst. Es ist ein junger Herbst, ein Herbst, in dem noch sehr viel Sommer wirkt, ein Septemberherbst eben.

Vor gut anderthalb Jahren – im Februar 2017 – war ich schon einmal hier. Damals führte mich mein Weg zunächst zum Blumengarten und von dort dann quer durch Bexbach zum Premiumwanderweg Brunnenpfad.
Die ersten zwölf oder dreizehn Kilometer der heutigen und der damaligen Tour stimmen exakt überein, und es wird sich herausstellen, dass meine Erinnerung an die Wanderung ziemlich detailliert ist. Bei fast jedem Schritt, den ich mache, ist es, als hätte ich die Koordinaten der Strecke in Pillenform zum Frühstück eingenommen. Sogar eine versteckte Abkürzung an der Kirche St. Nikolaus in der Bexbacher Innenstadt vorbei finde ich problemlos.
Zwölf – oder dreizehn – Kilometer gibt es keinen Augenblick des Zögerns oder des Zweifels, wirklich gar keinen. Mit dem allerersten Meter auf unbekanntem Terrain allerdings wird sich das grundlegend ändern.

Mein erstes Ziel ist also auch heute der Blumengarten.
Über den Dächern brennt noch der Sommer, aber ich laufe durch Straßen voll mit gelbem Herbstlaub.
Im Blumengarten werden die Kontraste noch etwas ausgeprägter.
Ein paar allerletzte Rosen blühen, ab und zu säumt ein Begonienbeet den Wegrand, das Grün der Bäume und Sträucher schimmert und leuchtet, aber nur dort, wo die Sonne es in Szene setzt, in den Schattenwinkeln dagegen wirkt es so stumpf und alt, als hätte man die Farbe von Stämmen und Büschen gekratzt.

Das eigentliche Schauspiel bietet sich aber, wenn ich den Blick wie bei einer raschen Kamerafahrt von einem Punkt zum nächsten gleiten lasse und dabei kein Detail tiefenanalysiere, sondern einfach nur betrachte. In dem einen Augenblick füllt sich das Blickfeld mit einem gelben Leuchten, im nächsten mit einem unscheinbaren, aber trotzdem schönen Violett, dann wieder ist es, als zerplatzten kleine rote Punkte vor meinen Augen. Hier helles Blattgrün, dort ins Schwärzliche spielende Stammgrün, dunkler noch wirkend unter der blauen Brandung des Himmels.

Letztes Spätsommerleuchten und schönes frühherbstliches Licht, wohin man schaut. Ich bin gespannt darauf, wie sich das später im Wald anfühlen wird.
Bis ich den ersten Schritt auf weichem Waldboden machen kann, muss ich allerdings noch quer durch Bexbach und das angrenzende Oberbexbach marschieren. Allzu viel Zeit
will ich deshalb nicht auf den Blumengarten verwenden.
Aber abgesehen von der Spätsommeratmosphäre, die sich von der Wintertristesse meines letzten Aufenthalts hier unterscheidet wie ein blühendes Mohnfeld von einem ausgedorrten Acker, gibt es auch etwas zu sehen, das man nicht unbedingt in einem Blumengarten erwartet und das bei meinem letzten Besuch noch nicht vorhanden war, nämlich Sehenswürdigkeiten aus aller Welt in Miniaturform: Big Ben, Eiffelturm, das Weiße Haus, der Petersdom und andere mehr.

Am Nachbau der Mount-Palomar-Sternwarte vorüber verlasse ich schließlich den Park und mache mich auf in Richtung Brunnenpfad.
Die Straßen werden immer leerer, je weiter ich mich vom Stadtzentrum entferne. Zugleich wird der Himmel immer weiter und immer höher. Und immer wärmer wird es auch.

Noch innerhalb der Stadt wartet der erste längere Anstieg, ausnahmsweise mal ein Detail, an das ich mich von meiner letzten Tour her nicht erinnere. Was mir aber noch so gut im Gedächtnis ist, als wäre ich den Weg erst gestern gegangen, das ist der Blick über Wiesen und Weiden hinweg auf das Kraftwerk Bexbach und an den zwischen kleinen, teilweise überwucherten Grundstücken hindurchführenden Asphaltweg den Hügel hinauf bis dorthin, wo endlich der Wald beginnt und wo ich auch auf den Brunnenpfad stoße.

In dem Moment, als ich den Wald betrete, ist es beinahe, als durchschreite ich das Tor zu einer anderen Welt. Einer Welt der ruhigen Schatten, einer Welt, in der man fast so geduldig zu sein lernt wie die fest in der dunklen Erde verwurzelten Bäume am Wegrand. Der Pfad fließt ruhig dahin, verliert sich in einem schimmernden Grün, in dem sämtliche Konturen sich aufzulösen scheinen.

Ich habe den Brunnenpfad als einen sehr schönen Premiumweg in Erinnerung und das findet heute seine volle Bestätigung. Dabei bin ich den Pfad beim ersten Mal ja zu einer Zeit abgewandert, als noch eher Winter als Frühling herrschte und eine kalte, farblose Sonne von einem bleichen Himmel herabschien.
Damals: Fahles Licht über einem Wald voller Baumskeletten, das Antlitz des Waldes grau wie der Staub auf Buchrücken in vergessenen Bibliotheken mit uralten Holzfußböden, verwitterten Scheiben und verwinkelt angeordneten Regalen.
Heute: Selbst in den Schatten ist es hell und warm und der Sommer atmet und leuchtet noch fast wie im Juli.
Damals: Irgendwann war ich froh um jeden noch so winzigen Farbtupfer, um jede noch so dürftige Ahnung von Frühlingslicht.
Heute: Wenn ich mir aus den Komponenten Licht, Farben und Wegführung einen Wunschpfad zusammenbauen könnte, dann würde er ungefähr so aussehen wie das, worauf ich mich hier gerade voranbewege.

Ich erkenne natürlich jede Menge wieder.
Gleich zu Beginn einen kleinen Anstieg zwischen eng zusammentretenden Bäumen hindurch, wobei im Gegensatz zu damals der Pfad heute allerdings auch wirklich als solcher zu identifizieren ist.
Der Karlsbrunnen, an dem ich wenig später vorüberwandere, ist mir ebenfalls im Gedächtnis geblieben, nicht nur als Name, sondern auch als Bild. Nur dass ich die Entfernung bis dorthin kürzer eingeschätzt habe, als sie ist.

Der Pfad bleibt meist sehr schmal, ohne dass irgendwann das Gefühl von Enge aufkommt, im Gegenteil, meine Schritte werden ganz leicht, ich treibe dahin, als ob ich Segel gesetzt hätte.
Zwischen den Blättern ein beständiger grünlicher Schimmer, mal heller, mal dunkler. Lichtflecke huschen über die Baumstämme. Manchmal fährt ein Windstoß in die Schatten, so dass sie einen Wimpernschlag lang in träge Bewegung geraten.

Je länger ich unterwegs bin, desto mehr Zeit glaube ich zu haben. Oder vielleicht auch: Desto mehr Zeit glaube ich, mir nehmen zu können.
Man gewinnt nach und nach nicht nur einen ganz eigenen Blick, wenn man lange zu Fuß unterwegs ist, es bildet sich auch ein neuer Maßstab für den Faktor Zeit heraus.
Woran das liegt?
Vielleicht daran, dass man sich relativ langsam fortbewegt, und durch eben diese Langsamkeit das Unterwegssein besonders intensiv spürt.

Meistens ähnelt der Verlauf des Wanderpfades dem eines unbegradigten Flusses, er strömt hierhin und dorthin, aber wenigstens gibt es so gut wie keine Abzweigungen, und wenn doch, dann nehme ich die meisten davon höchstens unterschwellig wahr.
Wieder gelange ich an eine Stelle, an die ich mich so genau erinnern kann, dass ich aus dem Kopf eine Skizze davon anfertigen könnte: Ein Steg über ein Rinnsal von Fingerbreite, unmittelbar dahinter knickt der Pfad im rechten Winkel ab.

Aber irgendwie ist es seltsam, von all den Eindrücken, die sich mir von meiner ersten Wanderung auf dem Brunnenpfad eingeprägt haben, ist keiner so präsent wie der ungefähr 200, vielleicht auch 300 Meter lange Anstieg aus einer idyllischen Senke hinauf nach Münchwies. Aus irgendeinem Grund wirkt diese Passage auf mich besonders malerisch oder friedvoll oder was auch immer. Aber unabhängig davon ist es sehr vorteilhaft, dass ich mich daran so gut erinnern kann, denn das ist genau die Stelle, bei der ich heute vom Brunnenpfad abbiegen muss.

Die Sonne steht mittlerweile sehr hoch am Himmel.
Ich trabe eine von gleißendem Mittagslicht überflutete Dorfstraße hinauf. Vereinzelt zweigen davon ein paar kleinere Straßen ab, aber ich laufe einfach unbeirrbar geradeaus, bis ich zur Hauptstraße komme, dann biege ich scharf links ab.
Münchwies sieht aus wie aus dem Ei gepellt. Was mich aber erheblich mehr beschäftigt, das ist die Frage, ob ich mein nächstes Etappenziel – den Mühlenpfad – so problemlos ausfindig machen werde, wie ich mir das erhoffe.

Unmittelbar hinter dem Ortsschild beginnt ein komfortabler Fußweg an der Landstraße entlang. Auf der abschüssigen Strecke komme ich voran wie in einem Hyperschall-Windkanal.
Nach ein paar Minuten orte ich im Vorbeigehen einen verwitterten Wegweiser auf der anderen Straßenseite.
Ein paar Sekunden später stehe ich direkt davor und lese zu meiner Überraschung: Zuweg Mühlenpfad 500 Meter.
Mal abgesehen davon, dass der Wegweiser so alt aussieht, als sei er bei einer archäologischen Ausgrabung ans Tageslicht befördert worden, würde mich die Antwort auf die Frage interessieren, wo eigentlich dieser Zuweg seinen Anfang nimmt. Hier, einen halben Meter neben der Landstraße, ohne jede Parkmöglichkeit, doch ganz bestimmt nicht!

Irgendwie traue ich dem Wegweiser nicht so recht.
Mein eigentlicher Plan sieht vor, dass ich ein paar hundert Meter weiter von dieser Landstraße auf eine andere Landstraße abbiege und dort dann irgendwo auf den Mühlenpfad stoße. Dass ich in diesen Plan großes Vertrauen hätte, kann man auch nicht gerade behaupten, dafür ist er einfach mit viel zu viel Ungewissheit behaftet.

Nach zwei Minuten des Überlegens folge ich dem Wegweiser.
Ich trabe einen ganz netten Spazierpfad entlang. Hell spielt das Licht in den Bäumen, die nach und nach zu einem richtigen Wald werden.
Hinter einer Kurve stehe ich unvermittelt an einer Weggabelung. Von einem Wegweiser oder einem Schild oder sonst irgendetwas, das mir zeigen könnte, wohin ich zu gehen habe, um zum Mühlenpfad zu gelangen, keine Spur.
Links geht es steil bergauf am Waldrand entlang, geradeaus versperrt mir ein niedriges und – wie sich rasch herausstellt verschlossenes – Tor den Weg. Dann ist da noch der Pfad nach rechts. Eigentlich sieht er ziemlich einladend aus. Und wenn hier überhaupt irgendwo der Mühlenpfad zu finden ist, dann am ehesten in dieser Richtung.

Die Sache ist ganz einfach: Wenn ich diesen dritten Pfad nicht nehme, dann muss ich umkehren. Und weniger Ungewissheit als jetzt habe ich dann auch nicht.
Eine Sekunde lang denke ich noch nach, dann setze ich meinen Weg fort. Auf jenem dritten Pfad selbstredend.
Es geht ziemlich steil hinab und nach wenigen Augenblicken bereits befinde ich mich in einem diffusen Dunkel.

Unten angekommen stehe ich vor einer fast völlig überwucherten Holzbrücke, die über einen schmalen Bach hinwegführt.
Etwa in der Mitte der Brücke bleibe ich stehen.
Meine Beine halten inne.
Meine Gedanken halten inne.
Das sanfte Geräusch des Wassers ist zu hören, sonst windlose Stille.

Nach ein paar Minuten wandere ich weiter.
Ich trabe eine flache Böschung hinauf und das Erste, was ich sehe, als ich oben bin, ist das Symbol des Mühlenpfades. Damit habe ich nun wirklich nicht gerechnet. Wobei, letztendlich musste er sich ja irgendwo hier in der Nähe befinden.

Der Pfad zeigt sich gleich mal von einer sehr schönen Seite. Schmal und verwildert führt er über Steine und Wurzeln bergan. Es ist zwar nicht mühsam, sich darauf fortzubewegen, aber ich muss schon ein wenig aufpassen, nicht ins Stolpern zu geraten.
Kurz darauf wird aus dem schmalen Pfad ein breiter Weg, es gibt auch keine Steine und keine Wurzeln mehr, sondern ich spüre weiche Erde unter meinen Füßen.
Das durch die Baumkronen fallende Licht schafft eine ganz eigene Atmosphäre, einen Schwebezustand zwischen hell und dunkel, zwischen dem noch nicht ganz erloschenen Sommer und dem gerade erwachten Herbst.

Einen Kilometer weiter kreuze ich eine Landstraße.
Das wäre die Stelle gewesen, an der ich auf den Mühlenpfad abgebogen wäre, wenn ich bei meinem ursprünglichen Plan geblieben wäre. Wie es aussieht, war es ganz gut, dass ich nicht dabei geblieben bin, denn ich sehe nicht einmal einen Fußgängerweg, was bedeutet, dass ich ein paar hundert Meter weit auf dem Randstreifen einer unübersichtlichen Straße hätte dahinstapfen müssen. Und eine der schönsten Passagen der gesamten Wanderung – von der überwucherten Brücke bis hierher – hätte ich auch verpasst.

Der Spätsommerwald bleibt mir nach der Überquerung der Landstraße erhalten.
Immer noch atmet der Tag ganz leicht und langsam, fast so, als ob er nie zu Ende gehen würde. Die ständig sich verändernden Lichtfiguren und Lichtmuster auf dem Boden und an den Bäumen lösen jede strenge Linie auf, es ist beinahe, als würde ich kleine Wellen auf der Oberfläche eines Teiches beobachten, die sich unentwegt erneuern.

Dann verlasse ich den Wald und wandere einen Hügel hinunter in den kleinen Ort Fürth hinein.
An einer mittlerweile zum Landgasthof umfunktionierten Mühle vorüber verschlägt es mich an den Rand einer Wiese, wo ich plötzlich feststelle, dass es kein Wandersymbol mehr gibt und auch nichts mehr, das wirklich noch nach einem Pfad aussieht.
Ich mache an diesem Tag viel längere Umwege, aber das ist der seltsamste von allen, weil ich mir auch im Nachhinein nicht so richtig erklären kann, wie er zustandegekommen ist.
Egal.
Ich laufe quer über die Wiese, an der voll besetzten Terrasse des Landgasthofes vorbei, und dann ist dieser Umweg, wenn man ihn überhaupt so nennen will, auch schon wieder Geschichte.

Aber ein wenig komme ich schon ins Grübeln, wenn ich daran denke, dass ich ja auch noch vom Mühlenpfad auf den Steinbachpfad wechseln will. Es wäre mir sehr recht, wenn der Rest der Wanderung so unkompliziert verlaufen würde, dass die Tracks der Tour hinterher nicht so aussehen wie die grafische Darstellung der Schwimmbewegungen von Aquariumfischen.

Eine ganze Weile bin ich nun wieder in einem von sanftem Licht erfüllten Wald.
Wie hoch die Wolken über den grün leuchtenden Baumwipfeln dahinzuziehen scheinen!
Ich könnte beinahe das Gefühl haben, dass ich gar nicht mehr selbst gehen, nicht mehr selbst einen Schritt vor den nächsten setzen muss, um vorwärtszukommen, sondern dass der Pfad mich mit sich tragen würde wie eine Stromschnelle ein Floß.

Von Zeit zu Zeit werde ich durch Infotafeln am Wegrand, auf denen Schwarzweißfotos längst stillgelegter Mühlen abgebildet sind, daran erinnert, warum dieser Pfad den Namen Mühlenpfad erhalten hat.
Tempus fugit oder Was immer du tun willst, tue es möglichst bald, denn die Zeit nimmt keine Rücksicht auf deine Pläne!
Immerhin: Wern’s Mühle – die Mühle, an der ich in Fürth vorbeigelaufen bin –, die Hanauer Mühle und die Eichelthaler Mühle existieren noch, wenn sie auch nicht mehr als Mühlen genutzt werden, lediglich die Brille-Mühle ist abgerissen worden.

Irgendwann, als ich es schon gar nicht mehr richtig erwarte, gesellt sich zu dem Symbol des Mühlenpfades das des Steinbachpfades.
Ich arbeite mich einen steilen Anstieg empor, der mich an den Startpunkt des Steinbachpfades führt, wohin ich aber gar nicht wollte, jedenfalls jetzt noch nicht. Also kehre ich um und nehme den Pfad in der entgegengesetzten Richtung in Angriff. Da der Steinbachpfad nur etwa acht Kilometer lang ist, werde ich vermutlich in etwa anderthalb, vielleicht auch zwei Stunden wieder am Startpunkt sein und mich von da dann zum Bahnhof in Ottweiler begeben.
Aber es kommt wieder einmal anders.

Ein paar Kilometer lege ich allerdings tatsächlich auf dem Steinbachpfad zurück. Er entpuppt sich – wie auch bereits der Mühlenpfad – von Beginn an als Realität gewordener Wanderertraum.
Der Wald scheint das allerletzte Licht des Spätsommers zu inhalieren und ich komme mit dem Sammeln und Abspeichern fantastischer Bilder gar nicht mehr hinterher.
An manchen Stellen laufe ich durch ein so mystisches Zwielicht, dass ich nicht allzu erstaunt wäre, plötzlich ein Einhorn auf einer Lichtung zu entdecken.
Dann wieder habe ich den Eindruck, in eine alte Waldläufergeschichte versetzt worden zu sein.
Es ist ein Wald, der ständig sein Erscheinungsbild verändert.
Ein eindrucksvolles Kerbtal und eine kleine, aber ansehnliche Schlucht dürfen auch nicht fehlen.

Nach einer Weile beginnt der Abschnitt, auf dem der Steinbachpfad identisch ist mit dem Schauinslandweg, den ich bei Eis und Schnee im Januar 2017 abgewandert bin.
Wie beim Brunnenpfad könnte der Gegensatz von damals zu heute kaum größer sein.
Damals: Eng begrenzte und im Laufe des Tages immer näher heranrückende Horizonte.
Heute: Wenn ich in die Ferne schaue, gibt es keinen Anker für den Blick, keine Begrenzung.
Damals: Eine in Erstarrung gefallene Landschaft, in kaltes Winterlicht getaucht.
Heute: Alles verschwimmt in schimmernden Farbtönen, vor allem Blau und Grün.

Als ich bei dem 20 Meter hohen Panoramaturm Betzelhübel angekommen bin, fasse ich den Entschluss, endgültig auf den Schauinslandweg zu wechseln, denn dieser hat den unbestreitbaren Vorteil, dass er nur ein paar hundert Meter von Ottweiler entfernt beginnt und endet, und dass ich außerdem den Weg von dort zum Bahnhof kenne, während ich vom Endpunkt des Steinbachpfades aus noch fast 5 Kilometer auf unbekannten Wegen zurückzulegen hätte.

Der Spätsommer begleitet mich auch auf den letzten Kilometern, aber sein Leuchten wird allmählich schwächer. Immer mehr kleine Schattenseen entstehen zwischen den Bäumen, und als ich endlich die Landstraße erreiche, ist es beinahe Abend geworden.

Am Ende habe ich mit allen Umwegen und Irrwegen mehr als 45 Kilometer zurückgelegt, erheblich mehr als vorher berechnet. Und dass ich die geplante Route eingehalten hätte, das kann man auch nicht gerade behaupten. Eigentlich ist das Meiste anders gelaufen als gedacht.
Und mir kommt der Gedanke, dass man manchmal vielleicht nicht einmal einen Grund haben muss für das Unterwegssein, keinen anderen jedenfalls als das Unterwegssein selbst.

 

Noch eine Tour mit Bexbach als Ausgangspunkt:

Tour 31 BHF Bexbach – Blumengarten – Brunnenpfad

Es sind jene ganz besonderen Momente beim Gehen.

Jene Momente, in denen ich nicht mehr versuche, etwas

Bestimmtes zu tun oder zu erreichen, jene Momente, in

denen ich eine Geduld in mir spüre, die Zeit allein nicht

zu brechen vermag, in denen aus meinem Denken alles

Vordergründige und…    weiterlesen      Bildergalerie

 

 

 

 

 

2 Comments

  • Mata

    Was für ein großartiger Beitrag, vom ersten bis zum letzten Wort. Ich bin wieder mitgewandert, wie schon so oft.
    Ich hoffe, es wird auch noch die eine oder andere Herbstwanderung geben, an einem richtig tollen Herbsttag, meine ich. Die Beschreibung so einer Wanderung würde ich zu gerne (wieder) mal lesen.

    Grüße, Mata

    • gorm

      Vielen Dank, freut mich sehr, dass der Text so gut bei dir ankommt.:-)
      Was die Herbstwanderung betrifft, so würde ich selbst natürlich auch noch gerne eine machen, gerade im Oktober, dem schönsten Herbstmonat. Mal sehen.:-)

      Beste Grüße
      Torsten

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