FOTO-WANDERUNG 75 – VON DER ASCHBACHER KIRCHE ZUM WORTSEGEL
Bei einer Wanderung, bei der man den größten Teil der Wege bereits kennt, wie es heute bei mir der Fall ist, wird die Erinnerung zu so etwas wie einem unaufhörlich im Hintergrund ablaufenden Film. Aktuelles und vergangenes Erleben überschneiden sich und ergänzen einander. Selbst flüchtige Wahrnehmungen bringen dadurch mitunter ein Heer von Bildern einer lange zurückliegenden Realität hervor.
Schauplätze der Tour sind die Asphaltwege und Waldpfade irgendwo auf den Höhenzügen zwischen Lebach und Tholey. Vom Lebacher Stadtteil Aschbach aus wandere ich zur Höchstener Kapelle, von da über Umwege zum Rand des Schaumbergs und letztlich bis zum Wortsegel, einer Stahlplastik oberhalb des Tholeyer Ortsteils Sotzweiler.
Länge der Wanderung: ca. 25 Kilometer
Slideshow mit ausgewählten Fotos
Die Wanderung beginnt bei der Kirche St. Maternus im Lebacher Stadtteil Aschbach. Von hier aus wandere ich bergan in Richtung Friedhof.
Es ist ein mäßig warmer Sommertag, weit entfernt von finster, aber auch nicht so überaus grell wie teilweise in den zurückliegenden Wochen.
Bald schon finde ich mich auf einem idyllisch zwischen Wiesen und Feldern verlaufenden Asphaltweg wieder. Zunächst sehe ich nichts anderes als eben diesen Weg, die Wiesen und Felder und die Bäume am Wegrand, aber es dauert nicht lange und ich kann den Blick bis zum Schaumberg und weiter schweifen lassen.
Ruhepause möglich, aber noch nicht nötig.
Das ist genau der Beginn, den ich mir vorgestellt habe. Ich hätte nichts dagegen, noch eine Weile weiter auf solch einem wie zwischen den Horizonten aufgehängten Weg vor mich hinzulaufen, aber auch der Wald, der danach kommt, ist eine alles andere als unangenehme Umgebung.
Von dem „Gefühl tiefster Einsamkeit“, das Adalbert Stifter in seiner Erzählung „Der Hochwald“ schildert, bin ich zwar weit entfernt, aber viel mehr Stille kann man in einem Industrieland des 21. Jahrhunderts kaum erwarten, als ich sie in diesem Wald vorfinde.
Von der Traubeneiche und drei weiteren Bäumen erfahre ich, wann sie Baum des Jahres gewesen sind. Bei der Traubeneiche war es das Jahr 2014. Jetzt muss ich es mir nur noch merken.
Hügelhorizonte
Oberhalb von Thalexweiler, einem weiteren Stadtteil von Lebach. Die Höchstener Kapelle ist nur noch einen Steinwurf entfernt.
An der Höchstener Kapelle vorüber wandere ich auf Dörsdorf zu. Der Wald, zunächst dunkel wie an einem grauen Spätherbsttag, wird bald heller und freundlicher. Die ersten Anstiege liegen hinter mir und im Großen und Ganzen kann ich jetzt eine Weile gemächlich auf flachem Terrain vor mich hintraben.
Schon fast zehn Kilometer unterwegs, obwohl ich Luftlinie höchstens deren anderthalb von meinem Ausgangspunkt entfernt bin. Die Wege sind meistens wie ausgestorben, nur ab und zu begegnet mir ein Spaziergänger.
Wie so oft, habe ich den Endpunkt der Wanderung und auch die genaue Route noch nicht festgelegt. Ich habe ein Ziel und doch habe ich wiederum auch kein Ziel. In einer Gegend, in der ich mich so gut auskenne wie hier, ist das kein Problem.
Kurz vor Dörsdorf, das auch noch zu Lebach gehört.
Ich habe Zeit genug, um auf dies und jenes am Wegrand zu achten.
Der Tag ist wie gemacht für eine längere Wanderung. Wäre es sechs, sieben Grad wärmer, müsste ich einen Tanklastwagen voll Wasser bei mir führen. So genügt es, wenn ich alle paar Kilometer ein paar Schlucke trinke.
Ich wandere im Moment zwar meistens durch offenes Gelände, trotzdem ist da irgendwie immer auch Wald. Irgendwo hier überschreite ich die Gemarkungsgrenze zu einer anderen Gemeinde, nämlich Tholey, und bin damit auch nicht mehr im Landkreis Saarlouis, sondern im Landkreis St. Wendel.
Kurz vor Hasborn
Als ich Anfang des Jahres an diesem Schild vorüberlief, war es zwar auch schon schief, aber wenigstens stand es noch richtig herum. Scheuern liegt in der exakt entgegengesetzten Richtung, aber vermutlich wissen das die Leute, die hier vorüberfahren oder vorübergehen, ohnehin.
Bei diesem Schild dagegen stimmt alles.
Wir sind Zeit unseres Lebens auf dem Weg, ob wir uns nun gerade auf einer Wanderung befinden oder nicht. Wenn man gedanklich in diesem Bild verbleibt, sind Wanderungen in Bezug auf das Leben – zumindest das Alltagsleben – sogar eher ein Innehalten.
Blick zum Schaumberg
Ein paar Kilometer folge ich nun dem Johannes-Kühn-Weg, der dem bis zu seinem Tod in Hasborn beheimateten Dichter Johannes Kühn gewidmet ist.
Vom Johannes-Kühn-Weg biege ich in Richtung des winzigen Ortes Leitzweiler ab und trabe dann an der Landstraße entlang Richtung Theley. Zum Glück gibt es hier einen komfortablen Seitenstreifen.
Von hier aus wäre der nahe Schaumberg ein mögliches Ziel, ich entschließe mich aber, stattdessen wieder talwärts zu wandern. Es ist zwar gegenüber den morgendlichen Temperaturen deutlich wärmer geworden, aber Hitzerekorde werden heute keine aufgestellt.
Mal wieder irgendwo im Nirgendwo
Kaum noch Schatten auf den Wegen. Das helle Sommerlicht lässt nichts Verborgenes zu, die gesamte Landschaft ist bis in den letzten Winkel hinein ausgeleuchtet.
Flatterschatten
Ich wandere jetzt auf direktem Weg auf die Lachmühle zu, die zum Tholeyer Ortsteil Bergweiler gehört. Bergweiler hat nur 700 Einwohner, keine Gaststätte, kein Lebensmittelgeschäft, aber immerhin drei Kapellen. Eine davon, die Blasiuskapelle, liegt auf der Schaumberg-Tafeltour.
Ich habe mich mittlerweile entschieden, die heutige Wanderung beim Wortsegel enden zu lassen. Das Wortsegel ist eine weithin sichtbare Stahlskulptur oberhalb von Sotzweiler, dem Nachbarort von Bergweiler.
Der Abschluss für heute – das Wortsegel